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FONOFORUM, 01. Juli 1992
Im besten Sinne klassisch.

Frisch, hell und leicht im Klang, gestisch ebenso differenziert wie dezidiert stellt Haenchen diese sechs Haydn-Sinfonien dar. Es handelt sich um Werke der Zeit des Reifens bzw. der sogenannten Sturm-und-Drang-Zeit. Haydn auf dem Weg zu sich selbst und die Sinfonie ebenfalls auf dem Weg zu sich selbst, zur vollgültigen Form: Erstmals bietet sie hier Raum für musikalische Konflikte, für den Ausdruck subjektiven Fühlens und Denkens. Haenchen arbeitet solche Konturen klar und im Detail jederzeit präsent heraus, stellt das Disperate gegeneinander- wobei er den klassischen Rahmen, den Ausdrucksradius der Haydn-Zeit sorgfältig wahrt. Das gilt auch für das Instrumentarium: Das Kammerorchester Carl Philipp Emanuel Bach musiziert zwar auf modernen Instrumenten, aber in jener Besetzung, die von Haydn selbst überliefert worden ist (unter Verwendung eines Continuo-Cembalos). Damit will man einerseits den heutigen Hörgewohnheiten Rechnung tragen, andererseits jenen Eindruck zu rekonstruieren versuchen, den diese Sinfonien einst bei ihrer Uraufführung in Esterháza gemacht haben. Das vorliegende Ergebnis, gleichsam Quadratur des Kreises, überzeugt nicht zuletzt durch seine Selbstverständlichkeit: Keinerlei expressiv-subjektive Aufgesetztheiten, die den natürlichen Fluß der Musik trübten; keine extravaganten Überraschungseffekte, welche die Aufmerksamkeit nur auf den Moment zögen und vom Formganzen ablenkten. Eine ausgewogene, rundum kompetent realisierte, im besten Sinne klassische Haydn-Darstellung- was nicht zu verwechseln ist mit einer gemäßigt-geglätteten.

Werner Pfister