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www.musikansich.de, 20. April 2013
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GEBURTSTAG MIT ETWAS WEHMUT
Zum 70. Geburstag des Dirigenten Hartmut Haenchen ehrt das Label Berlin Classics ihn kurioserweise mit einem 10 Jahre alten Live-Mitschnitt, denn diese Weltersteinspielung von Johann David Heinichens „La Gara degli Dei“ (Der Wettstreit der Götter) ist schon 2003 entstanden. Andererseits eignet sich natürlich gerade diese prachtvolle Festmusik besonders gut als angemessenes Präsent für einen derart angesehenen Musiker. Haenchen wurde 1943 in Dresden geboren. Seine künstlerische Arbeit in der DDR wurde vom SED-Regime immer wieder nachhaltig behindert; obwohl er sich nicht lautstark als Regimekritiker engagierte, galt er als Staatsfeind. Die Musiker des Kammerorchesters Carl Philipp Emanuel Bach wählten ihn Anfang der 80er-Jahre trotz Dirigierverbots zu ihrem Chef. Verbunden war damit ein Wechsel des bis dahin auf die moderen Musik spezialisierten Ensembles hin zur Musik der Frühklassik. Und die aus dieser Wahl hervorgegangene, verschworene Gemeinschaft des Orchesters mit seinem Dirigenten besteht bis heute. Aus der Verbindung sind viele wohlgeratene musikalische Kinder hervorgegangen. Haenchens Pionier- und Entdeckergeist, seine Suche nach einer musikalischen Wahrheit jenseits bloßer Notentreue und das Bemühen um die Umsetzung musikhistorischer Erkenntnisse in die Praxis kennzeichnen das gemeinsame Oeuvre, welches mittlerweile 55 Tonträger umfasst.

Nun sollen also noch einige hinzukommen, denn der „Wettstreit der Götter“ ist nur der Auftakt zu einer Reihe, die zahlreiche unveröffentlichte Aufnahmen umfassen wird. Die Serie stellt zugleich eine Art Vermächtnis dar, denn das Orchester wird sich nach dem 300. Geburtstag des Namenspatrons am 8. März 2014 und einem Konzert mit den "letzten drei Sinfonien" am 1. Mai 2014 auflösen. Welchen Verlust dies für die deutsche Orchesterlandschaft bedeutet, kann man an der jetzt erschienen CD nachvollziehen: Heinichens Werk, das für die opulenten Feierlichkeiten aus Anlass der Hochzeit des sächsischen Thronfolgers, Friedrich August II., mit der Erzherzogin Maria Josepha von Hohenzollern geschrieben wurde, erklingt hier in der mutmaßlich originalgetreuen Besetzungsstärke. Dabei tönt das Kammerorchester gewohnt leichtfüssig, silbrig und schlank. Haenchen musiziert eine quirlig-unterhaltsame Festmusik. Wenngleich dies nicht darüber hinwegzutäuschen vermag, dass Heinichen gefällige, möglichst wenig Irritationen hervorrufende Konfektionsware lieferte, bekommt das Werk auf diese Weise doch sommerlichen Charme. Die Vokalsolisten agieren dabei solide, obschon nicht auf jenem technischen Spitzenniveau, an welches man sich mittlerweile bei diesem Repertoire gewöhnt hat.
Man darf gespannt sein, welche Ausgrabungen die Reihe noch bereithält. Haenchen und sein Orchester jedenfalls werden uns demnächst fehlen.
Beurteilung: empfehlenswert
Sven Kerkhof