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Kölner Stadt-Anzeiger, 20. November 2004
Auftritt für die Geigen-Girlies

Es ist eine Zeit für Geigerinnen. Neue Aufnahmen dokumentieren die aufsteigenden weiblichen Kometen - richtige Stars, keine Sternchen, auf einem technischen und geistig-musikalischen Niveau, das durch die Bank Staunen macht. (...)

Keine Girlie-Aura (schon eher die der Wissend-Frühgereiften mit Vamp-Anflügen) verströmt die Lettin Baiba Skride - obwohl sie ziemlich genauso alt ist wie Hilary Hahn. Sie spielt mit dem Berliner Kammerorchester mit C.Ph.E. Bach unter Hartmut Haenchen Geläufiges, das aber gerade deswegen gefährlich werden kann: Mozarts G-Dur-Konzert KV 216 und das Rondo KV 373 sowie Schuberts A-Dur-Rondo - und das nun allerdings weithin unbekannte B-Dur-Konzert von Michael Haydn (Sony). Auch dies keine Allerweltsaufnahme: Skride fasst ihren Part quasi-vokal auf; da singt alles, atmet, blüht weich auf. Töne und Phrasen zeugen von größter artikulatorischer Sorgfalt und manche Betonungen geraten etwas merkwürdig. Klar, dass sie mit einer solchen Auffassung in den langsamen Mittelsätzen zu sich selbst kommt. Das Aussingen und Ausspielen, der ausgeprägt lyrische Ansatz geht zulasten des im engeren Sinn Virtuosen, das Skride überhaupt nicht zu interessieren scheint. Das ist hier aber alles andere als ein Nachteil. Wer so spielen kann, muss die Klippen der Technik längst umschifft haben.

Markus Schwering