Kammerorchester

Rhein-Neckar-Zeitung, 08. Mai 1989
Musikalischer Sturm und Drang

(...) Das Kammerorchester hat sich ganz einer stilgerechten Aufführung verschrieben. Man orientiert sich dabei am historischen Klang, an der Bogentechnik und Artikulation dieser Zeit und stützt sich ausschließlich auf historisch-kritisch gesicherte Notentexte. Diese akribische Forschungs- und Probenarbeit lohnt sich, denn auch ohne auf moderne Instrumente zu verzichten, präsentiert man die Werke in einem schlanken, transparenten Klang, wie man ihn sonst nur von Ensembles kennt, die auch alte Instrumente verwenden. Das vibratoarme Spiel der Streicher produziert feine, zarte Töne, welche auch die graziösen Verzierungen und Nuancen nicht im Streichereinheitsbrei untergehen läßt. Fast läßt sich die Stimme jedes einzelnen Instrumentes verfolgen, so präzise man auch zusammenspielt. Überhaupt die Orchesterkultur: Derart genau und diszipliniert, dabei voller Konzentration und Engagement, das machte schlichtweg staunen. Jedes einzelne Mitglied des Ensembles besticht durch herausragende solistische Fähigkeiten, die jedoch immer dem Ganzen gewidmet werden. Hartmut Haenchen dirigierte äußerst aufmerksam, aber nie angestrengt: Eink Wink mit dem Zeigefinger genügte für einen blitzsauberen Einsatz, heikle Pizzicato-Stellen bestachen durch Subtilität und Witz, ohne daß der Dirigent sich besonders darum kümmern mußte. Das Ensemble (...) musizierte so erregend, so sinnlich und frisch (...). Das Ensemble arbeitete die subjektiven Empfindungen der Kompositionen deutlich heraus, nein, man spürte ihnen nach und setzte sie lebendig um. (...)

Thomas Rothkegel