Kammerorchester

Der Tagesspiegel, 16. März 2010
Was für ein Zusammenklang! Das Kammerorchester Carl Philipp Emanuel Bach klingt vom ersten Takt an wie ein verschworenes Kollektiv, obwohl man nur nebenbei miteinander musiziert. Oder gerade deshalb. Seit 40 Jahren kommen Musiker der (Ost-)Berliner Profiorchester zum Spiel im kleinen Ensemble zusammen, seit 1980 unter Hartmut Haenchen. Der hat einen entspannten, kontrastreichen Umgang mit der historisch informierten Aufführungspraxis gefunden. Die Musiker stehen – und jede Phrase sitzt. Davon hat vor allem das vorklassische Repertoire rund um den Namenspatron des Kammerorchesters profitiert. Doch Haenchen und seine Musiker streben stets zu neuen Ufern und widmen sich im Konzerthaus der deutschen Romantik.

Eine Portion Berliner Realismus bekommt Schumanns lange als leicht verschattet geltendem, aus Schizophrenie geborenem Violinkonzert gut. Solist Kolja Blacher schlägt passend einen gradlinigen, leicht aufgerauten Ton an. Nahrung für Großstadtromantiker, die säuselnden Idyllen misstrauen. Haenchen kennt alle Untiefen dieser Musik, versinken in ihnen will er nicht. So zeugt auch seine Lesart des „Siegfried-Idylls“ von den handfesten Zweifeln eines erfahrenen Wagner-Dirigenten. Der große Klangüberwältiger als Süßholzraspler? Das Kammerorchester Carl Philipp Emanuel Bach leistet zärtlich-knarzigen Widerstand. Und setzt sich mit Verve für den Mann ein, der die deutsche Oper romantisierte: Carl Maria von Weber und seine 1. Sinfonie. Ein effektvolles Spiel mit der Klassik – und dem Berliner Charme. Ulrich Amling