Kammerorchester

http://magazin.klassik.com, 17. Dezember 2011
Weihnachtlich bunte Mischung

Das Kammerorchester Carl Philipp Emanuel Bach hat unter der Leitung von Hartmut Haenchen, dem langjährigen Dirigenten des Ensembles, ein durchmischtes Weihnachtsprogramm aufgeführt, in dem man mindestens drei Zutaten ausmachen konnte. Im Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie präsentierte das Kammerorchester zwei Symphonien seines Namenspatrons, die sich in das Großprojekt der Gesamtaufführung aller Symphonien bis zu Bachs 300. Geburtstag 2014 einreihten, und zwei "Pflichtstücke" der Vorweihnachtszeit: Johann Sebastian Bachs Pastorale in F-Dur (in der Streichorchesterbearbeitung des österreichischen Komponisten Paul Angerer) sowie Francesco Manfredinis Concerto grosso op. 3/12 in C-Dur, das den einschlägigen Untertitel 'Per il Santissimo Natale' trägt. Als dritte Zutat, gleichsam als veredelndes Gewürz, kam der Cellist Jens Peter Maintz hinzu. Er gab mit dem Kammerorchester Boccherinis siebtes Cellokonzert in G-Dur, sowie das 'Andante cantabile' und das 'Pezzo capriccioso' von Tschaikowsky (auch diese beiden nähere oder ferne Bearbeitungen). Über die Kohärenz dieses Programms mochte man nun so manche Gedanken haben, aber schöne Musik war es allemal.
Die beiden Streichersymphonien (Wq 182,1 in G-Dur und Wq 182,5 in h-Moll) zeigten Carl Philipp Emanuel Bachs teilweise geradezu wüste Lust, Kontraste aufzureißen, auszuspielen, in einer Kette von Erfindungen und Überraschungen verschwenderisch preiszugeben.In diesem Sinne hätte das Kammerorchester noch mehr geben und deutlicher sein können. Der Gestus blieb die meiste Zeit hell, apollinisch, durchsichtig. Das Ensemble konnte darin zwar überzeugen, aber es fehlten die ebenso intensiven Widerlager. Das Verständnis aber wurde durchaus gefördert. Die langsamen Sätze falteten sich ohne jede Schwärmerei auf, in den schnellen Schlusssätzen wurden rasch und pointiert die knappen Melodiebausteine, verstehbar als Frage und Antwort, zwischen den Instrumentengruppen weitergereicht. Vor allem das 'Presto' der h-Moll-Symphonie, das den Abend beschloss, gelang, denn hier wurde endlich ein dunkel getönter, zupackender Ungestüm entfesselt, den das Konzert bisher nicht gekannt hatte.
Die homogene, gelassene Ausdruckswelt des Kammerorchesters passte zu den Werken von Bach-Vater und Manfredini deutlich besser. Auch hier hätte zwar mehr farbliche Differenzierung, mehr interpretatorische Phantasie in der Spannung, mehr Mannigfaltigkeit nicht geschadet. Aber die große Behutsamkeit und Ruhe, mit der musiziert wurde, erzielte große Wirkung.Gerade im ersten Satz von Bachs Pastorale stellte sich jener Sonderfall Bach’scher Kunst ein, dass sich, egal wie sakral das jeweilige Werk nun ist, die Andacht vor der Musik mit der grundlegenden Frömmigkeit der Musik verbindet und ein Ausdruck des kulturellen Friedens, der Besänftigung und Entwaffnung entsteht, der sich in unserer Kultur bei weitem nicht als Normalfall einstellt.
Deutlich in Richtung Ausnahme tendiert auch die cellistische Kunst von Jens Peter Maintz. Er interpretierte Boccherini und Tschaikowsky mit einem klar geschnittenen und umfänglichen Ton, der gerade in den hohen Lagen feine Gesanglichkeit erreichen kann. Boccherinis langsamer Satz wurde so mit seiner Sparsamkeit und Konzentration auf den Klang zu Höhepunkt des ganzen Konzertes. Nur von zwei Geigen begleitet konnte hier das Cello in kammermusikalischer Klarheit die Facetten seiner Ausdrucksfähigkeit zeigen. Maintz, auch in diesem Satz ganz konzertanter Solist, spannte wunderbar lange Phrasen.
Einfühlsam zeigte er sich auch der ganz konträren Gefühlskultur Tschaikowskys gegenüber, gefasst und ohne überzogenes Vibrato. Gerade im 'Andannte cantabile', eigentlich ein Satz aus einem Streichquartett, muss sich der Solist ein Herz fassen, feinen, aber deftigen Schmelz auszugestalten, ohne dass ein "a" das "e" verdrängt. Das jedenfalls gelang. Das listige 'Pezzo capriccioso', das so zickig gar nicht beginnt, zeigte schließlich Maintz mit virtuoser Gelassenheit in den flink fingernden Passagen, wenn auch die Durchschlagskraft der Tonsubstanz sich hier naturgemäß etwas vermindert. Das war schon sehr gut gemacht, mit Schneid, ohne Schnitzer.
Tobias Roth