Kammerorchester

Kölner Rundschau, 11. Januar 2016
Hartmut Haenchen begeistert beim sechsten Gürzenich-Sinfoniekonzert mit Schostakowitsch
... Der Jubel nach dem sechsten Gürzenich-Sinfoniekonzert galt jedoch dem Gastdirigenten Hartmut Haenchen. Vor 16 Jahren Jahren stand der international gefeierte Dresdner zuletzt am Pult des Gürzenich-Orchesters. Leider zu selten, muss man nach diesem Konzert sagen.
Haenchen weiß, worauf es ankommt. ... All das führte zu einem stimmigen und beseelten Musizieren.
Matthias Corvin
Kölner Stadt-Anzeiger, 11. Januar 2016
Haenchen .... sorgte .. für kammermusikalische Transparenz und einen nahtlosen, geschmeidigen Bewegungsfluss. Das vertrug sich grundsätzlich sehr gut mit dem warmen, blühenden Schubert-Klang, den das Orchester einbrachte.
Stefan Rütter
www.klassik.com, 07. Mai 2012
Weiche und feste Hände

Am Anfang stand natürlich ein Werk des Namenspatrons Carl Philipp Emanuel Bach, namentlich die Streichersinfonie A-Dur Wq 182/4. Das Kammerorchester Carl Philipp Emanuel Bach unter der Leitung von Hartmut Haenchen begab sich mit Verve in die gesprächige Sinfonie. Der rasche, heikle Wechsel von Phrasen, diese feingliedrige rhetorische Kunst des Fragens, Antwortens und Weitergebens wird hier von Bach mit hoher Schlauheit betrieben – und dem überzeugenden, schlanken Ensembleklang zum Trotz gelang die Unterredung nicht immer ganz. Mancher Akzent wurde etwas grob und beiläufig gesetzt, die Verzahnung der Phrasen war nicht immer völlig konzise. Haenchen strahlte eine dieser höfischen Musik sicherlich angemessene Nonchalance aus. Allerdings versäumte sein elastisches, in den Handgelenken verflüssigtes Dirigat, die letzte Präzision aus den Musikern zu locken. Etwas strikter, schneidiger hätte es sein müssen, mit einem Wort: etwas (und das sei mein einziges Zugeständnis an das 2012er-Jubiläum des gewalttätigen Fritz) preußischer.

Aber dieser Zug hängt nicht nur an jener kulturgeographischen Verschlagwortung. Dass eine genaue Balance aus Schneid und Geschmeidigkeit für die frühe und hohe Klassik gefunden werde muss, erwies sich auch an Luigi Boccherinis d-Moll-Sinfonie op. 37/3. Das fintenreiche Werk erhielt größere Geschlossenheit: Da war mehr Zug im Orchester, mehr Prägnanz in der Gegenüberstellung der Charaktere. Deutlich lagen die dramatischen Fäden beieinander – wie sie mit Stringenz zu bündeln seien, zeigte sich aber erst bei Schubert.

Schuberts Fünfte Sinfonie B-Dur D 485 wurde von einem glänzend gelungenen Kopfsatz eröffnet. Hier zeigte sich sauberer Zusammenhalt, hier kamen auch die Solisten immer mehr zum Zug, allen voran die bemerkenswerte Flötistin Silke Uhlig. Schuberts Wunderwerk pantheistischer Zuversicht erstand in einem ganz klassischen, geradezu klassizistischen Klangbild. Die langen Spannungsbögen des zweiten Satzes mit seinem selig-sehnenden Tasten und Suchen gelangen fragil und knapp vor dem Versiegen. Zuweilen gerieten zwar auch diese Bögen etwas in den Hintergrund, aber die grundsätzlich optimistische Deutung des Werkes sprang hier zur Rettung. Entsprechend geriet zwar das grimmige Menuett recht blass und schmächtig, aber das wurde vom abschließenden 'Allegro vivace' weggewischt, in dem Haenchen ein straffes, ordentliches Tempo vorgab. Dass also Zuspruch und Zuversicht hier die Oberhand behielten, ließ durchaus an Rilke denken, auch wenn es mentalitätsgeschichtlich recht wenig passen mag: "Jubel w e i ß, und Sehnsucht ist geständig, - / nur die Klage lernt noch mädchenhändig / zählt sie nächtelang das alte Schlimme."

Ohne Zweifel aber bildete das d-Moll-Violinkonzert von Johann Sebastian Bach den Höhepunkt des Programms. Das aus dem Cembalokonzert BWV 1052 rekonstruierte Werk entfaltete bereits im ersten Satz eine Landschaft frommer Bedrängnis. Wie die Wände gleichsam um das emotionale Subjekt des Satzes immer näher rücken, wie die Figuren immer leiser, immer dichter werden und jedes tiefe Ausatmen von einer noch tieferen Verstörung gefolgt wird – da hörte man auf, nach den Auftraggebern oder Aufführungsorten sogenannter religiöser Musik zu fragen. Das nun lag an der so virtuosen wie abgeklärten Interpretation von Kolja Blacher. Blacher bot den Solopart geradlinig, voll und mit nüchternem Nachdruck. Es hatte hohen Sinn, wie er zuweilen die Führung des Konzertes an sich nahm, und etwa das Orchester ein Stückchen anschob oder seinen völlig überlegenen Klang nutze, um einen unscheinbaren Halteton zum Protagonisten zu machen.

Im zweiten Satz entfesselte er eine durchdringende Gesanglichkeit. Auch die eleganten, stilsicheren Verzierungen waren mit gestochener Präzision artikuliert – die Melodie lief wie auf Schienen und war dabei so inständig wie anrührend. Im rasanten Schlusssatz mit seinen fulminanten Triumphgesten schließlich wurde offenbar, dass Kolja Blacher einer jener Musiker ist, die keine Miene verziehen, und dafür in der Lage sind, der Musik die vielfältigsten und intensivsten Gesichter zu verleihen.
Tobias Roth