Opern

Neue Zeit, 11. Oktober 1990
(...) erlebe ich am Pult den führenden musikalischen Kopf des Hauses, der kontinuierlich das eigentliche Niveau der Aufführungen bestimmt (...) Und vielleicht ist das der Grund dafür, daß Kenner der europäischen Musiktheaterszene bereits heute aufgrund der vorzüglichen musikalischen Leistungen die Amsterdamer Oper beispielsweise über die Brüsseler Oper stellen (...) Haenchen gelingt es vor allem nachzuweisen, daß Wagner in diesem an und für sich so unergründlichen Werk zu einer neuen Einfachheit und Erhabenheit, zu struktureller Transparenz und schwebender Subtilität vordringt. Da überraschen - wenn man das Ganze in so aufgehellter, flüssiger, klangsensibler Weise und bei den Szenen des Amfortas, des Klingsor oder der Kundry und des Parsifal in solch geballter dramatischer Ausdrucksdichte dirigiert wie Hartmut Haenchen - die Zusammenhänge zwischen dem Wagnerschen Alters- und Abschiedswerk und der neuen Musik, nämlich der Klangwelt Debussys und Schönbergs. Selbst für das meist noch etwas gefährdete, etwas zerbröckelnde Vorspiel brachte Haenchen mit dem Niederländischen Philharmonischen Orchester sogleich den ruhigen Atem, die raumgreifende Innenspannung auf, aber auch eine sehr empfindsame Klanggestaltung, eine samtene Kantabilität und Tiefenschärfe zugleich, die während des fünfstündigen Abends nicht nachließ und verdeutlichte, was hinter den vieldeutigen Wagnerschen Worten, Noten und Bühnenvorgängen verborgen ist. Da kennt sich einer auf geradezu selbstverständliche, ganz ungezwungene, überzeugende Weise in seinem Wagner aus und gewinnt ihm von A bis Z sehr zeitnahe, erkenntnisfördernde Züge ab.