Opern

Berliner Zeitung, 26. Juli 2016
"Musikwidrig ist bereits das Heben des Vorhangs zur zweiten Strophe des Abendmahls-Themas – musikwidrig nicht, weil es so nicht in der Partitur stünde, sondern weil Hartmut Haenchen am Pult des Festspielorchesters eine musikalische Form aufbaut, deren Schwingungen zerstört werden, wenn dem Zuschauer durch die Szene bedeutet wird, dass jetzt eine Geschichte beginnt. Haenchen schlägt rasche Tempi an, allerdings mit ganz anderer Wirkung, als man es in der vorletzten Bayreuther Produktion unter Pierre Boulez hören konnte.
Dort stieg man in einen großen Zeitfluss, bei Haenchen erklingt die Partitur eher kleingliedrig phrasiert. Man lauscht in die kleinen Abschnitte hinein und in ihre Korrespondenzen. Das ist interessant und kurzweilig, allerdings auch eigentümlich klassizistisch: Haenchen spart an Emphase, indem er weniger mit der Harmonie als mit straffer metrischer Struktur gestaltet; für Höhepunkte steht ihm dann die Ausdruckskraft eines ritenuto mit neuartiger Gewalt zu Gebote. Wie von selbst wird unter solcher Leitung auch der Orchesterklang klar und frisch, und das ergibt zusammen mit den ungemein präsenten Chören eine Interpretation auf höchstem Niveau."
Peter Uehling
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