Opern

Dresdner Neueste Nachrichten, 05. Dezember 2002
Mozarts "Titus" mit Trojahn-Rezitativen in Amsterdam

Es gibt selbst von den großen Mozart-Opern einige, die es nicht ganz so leicht haben mit der Nachwelt. Seine späte Opera seria "La clemenza di Tito", die Milde des Titus, die 1791 als Auftragswerk zur Krönung Kaiser Leopolds II entstand, gehört dazu. Ein Fürst mit viel gutem Willen und nachweltkompatiblen Referenzen, erworben in Jahrzehnten kluger Herrschaft über die Toskana. Doch ein zu spät Gekommener, einer, der auch in den Umbruchstrudel am Ende des 18. Jahrhunderts geriet. In eine Zeiterschütterung, die in vielen Mozartopern nach (oder besser: vor-) bebt. Tito jedenfalls ist in einer Weise auf Güte und Vergebung gestimmt (selbt denen gegenüber, die den Titelhelden ans Leben wollen), dass man es auch für Schwäche halten kann. So wirft er auch einen langen Schatten der Vergeblichkeit moralischen Handelns im Politischen.

Und leidet &endash; als Oper &endash; unter den Rezitativen, die, nicht von Mozarts Hand, wohl auf die Schnelle dazukomponiert wurden. So wie sie überliefert und aufführungsüblich sind, waren sie Hartmut Haenchen zu undramatisch, zu harmonisch einfallslos. Haenchen, der seit Ende der 80er Jahre zu wesentlichen Teilen gleich die ganze, noch junge Opernkultur in unserem calvinistischen Nachbarland prägt, überzeugte keiner der Versuche einer Implantation anderer Mozartrezitative oder Ergänzungen "in seinem Stil". Dass es richtig war, kein Wasser in den Wein zu schütten, sondern die Konfrontation mit einem Meister der Gegenwart zu suchen, das erwies sich jetzt bei der jüngsten Premiere in Amsterdam. Ein kühnes, geglücktes Experiment, das zudem die Aura einer Uraufführung hatte.

Joachim Lange