Opern

Handelsblatt, 05. Juni 1998
Musik und Szene aus einem Guß

Auch der dritte Abend der Wagnerischen Tetralogie wurde in der Regie von Pierre Audi und der musikalischen Leitung von Hartmut Haenchen zu einem Hör- und Seherlebnis, das sich mit einigem Aplomb von der Aufführungstradition der letzten Jahrzehnte abhebt. Hier werden uns die Figuren des Musikdramas räumlich und inhaltlich so nahe wie selten zuvor gebracht.

Dem Zusammenspiel der Sänger merkt man die intensive Probenzeit an, und das an diesem Abend auf dem linken hinteren Teil des Bühnenbildovals plazierte Rotterdamer Philharmonische Orchester (...) spielt betörend klangschön und mit kammermusikalischer Transparenz, die uns diese meist unterbewertete, wegen der nutrischen Kontraste auch bei Dirigenten wenig beliebte Komposition neu erschließt.

Schon die sanfte Motorik der Baßfiguren des Vorspiels, die in messerscharfe staccati übergehen, lassen aufhorchen. Was sich dann beim Waldweben und in der letzten Szene des dritten Aufzugs an sprechenden, die pathetische Artikulation und die großen architektonischen Bögen als falsche Tradition entlarvenden Partituraufhellungen ereignet, müßte selbst eingefleischten Knappertsbusch- und Furtwängler-Anhängern Respekt abverlangen. Haenchens Quellenstudium führte ihn zur Auflösung einer allzu dichten, in sich geschlossenen und großteiligen Faktur. Das dennoch plastische und bei aller dramatischen Präsenz nie wuchtige Klangbild ist also keineswegs nur der stets Balance mit den Gesangstimmen haltenden Plazierung des Orchesters zu verdanken. Es wäre spannend mitzuerleben, wie dieser so skrupulös wie effizient arbeitende Dirigent mit dem verdeckten Orchestergraben Bayreuths zurecht käme.

C. Herchenröder