Das Opernglas, 01. November 1998
In den beiden Schlußteilen zeigte sich Haenchen noch einmal als Meister der Strukturierung, der fließenden Übergänge, aber auch eruptiver Steigerungen. Im "Siegfried" gelangen ihm mit dem diesmal auf der linken Bühnenseite postierten Rotterdams Philharmonisch Orkest die wohl spektakulärsten Nuancierungen sogar noch in den martialischen Schmiedeliedern.
Auf Grund seiner flüssigen Tempi befindet er sich naturgemäß in diametralem Gegensatz zu seinem Bayreuther Konkurrenten Levine, der fast zwei Stunden länger für den gesamten Zyklus braucht, aber Haenchen bleibt doch näher bei so formidablen Wagner-, aber auch Strauss-Dirigenten wie Clemens Kraus, Josef Kleiberth und Karl Böhm, so daß bei aller Schwelgerei, wie den wunderschönen Holzbläser-Soli seines Nederlands Philharmonisch Orkest im Trauermarsch der "Götterdämmerung", doch immer auch die dramatische Stringenz nicht auf der Strecke blieb.
Als Fazit muß man sagen, daß in Amsterdam eine formidable Alternative zu den großen "Ring"-Zyklen an Deutschlands Opernhäusern entstanden ist, von einem hervorragenden Dirigenten mit drei unterschiedlichen Orchestern unwiderstehlich interpretiert, in einen kunstvollen Bühnenraum hineingestellt und mit manchen netten, genialen aber auch nichtssagenden Regiedetails angereichert.
H. Walter