Neue Zeit, 24. Juni 1994
Schuberts Wunderwerk: Die C-Dur Sinfonie
Mit zusammenfassender dirigentischer Kraft und der ihm eigenen Detailbesessenheit zugleich brachte Hartmut Haenchen auch das Wunderwerk von Franz Schubert, nämlich die große C-Dur-Sinfonie, unter einen großen gestalterischen Bogen. Er hat sie vor zehn Jahren schon mit den Berliner Philharmonikern und dem Orchester der Komischen Oper frei von allen Übermalungen musiziert, mit energischer Disziplin, auffälligen Ausdrucksschärfungen. Nunmehr brachte er bei der Schubertschen "Neunten" noch souveräner den zusammenfassenden Griff eines perspektivischen Musizierens ins Spiel, zog er die Tempi noch straffer an, riß er die dramatischen Vorgänge schärfer auf und inszenierte die lyrischen Einfärbungen noch hintergründiger - ohne das eigentümliche Voranschreiten des Schubertschen Wanderers durch die himmlisch-höllischen Zeiten und Welten auch nur im mindesten zu bremsen. Die Staatskapelle beeindruckte rundum durch ihre technischen und dynamischen Möglichkeiten, ihren modernen Musizierstil.
Eckart Schwinger