Sinfoniekonzerte

Trouw, 30. Januar 2002
Aufregende Aufführung von Beethovens Fünfter

Nicht so sehr Zimmermanns wenig gespielte "Sinfonie in einem Satz", sondern Beethovens abgespielte Fünfte Sinfonie überwältigte Montagabend das Publikum im Großen Saal des Amsterdammer Concertgebouws. Dirigent Hartmut Haenchen führte das Werk aus, als ob es vorige Woche erst komponiert wurde und ließ das Schicksal die Tür spalten als ob es zum ersten Mal war.

Das Eröffnungsmotiv von Beethovens Fünfter darf zu Recht als das "Sein oder nicht Sein" der klassischen Musik gelten: keine Phrase wird so oft gespielt, zitiert, verdreht oder auf CD gebracht, als diese meisterhafte Kernidee. Es ist nur schade, daß die Fünfte für viele Dirigenten ein Pflichtstück geworden ist. Die Langeweile springt hervor und gut studiert wird sie meistens auch nicht mehr, so scheint es.

Das war Montagabend im Amsterdammer Concertgebouw, wo Hartmut Haenchen seine Niederländische Philharmonie dirigierte, ganz anders. Selten habe ich eine so aufregende Ausführung dieses Werkes gehört: Beethovens Einbahnstraßen klangen unentrinnbar und die komplexe Architektur des Stückes wölbte sich wie eine mächtige Kuppel über das Publikum. In diesem Idiom ist Haenchen souverain, das bewieß er auch im letzten Satz, wo er sein Orchester zu dem blendenen Licht der Schlußtakte zuführte. Die gleiche Kraft legte Haenchen auch bei seiner Interpretation der "Sinfonie in einem Satz" von Bernd Alois Zimmermann. Das war Haenchens Fingerübung für die Oper "Die Soldaten" des gleichen Komponisten, die der Dirigent in der nächsten Saison bei der Niederländischen Oper aufführt.(...) Haenchens energische Interpretation von Zimmermanns Sinfonie bettete das Werk gut zwischen die Giganten Beethoven und Brahms. Die 1947 entstandene Sinfonie entfaltete sich mit viel Kraft. Zimmermanns Sprache schließt nahtlos an den Expressioniusmus der zweiten Wiener Schule an, ist aber im Vergleich mit dem musikalischen Idiom eines Alban Berg nahezu unzugänglich. Haenchen legte eine Vergrößerungsglas auf die vielen Kontraste, die Holz- und Blechbläser schrieen ihre Signale über fiebrige Streicher.

Feurig war auch Brahms' lyrisches zweites Klavierkonzert, eine merkwürdige Erscheinung der Klavierliteratur.

Anthony Fiumara