Mannheimer Morgen, 16. Oktober 1992
Spitzenklasse aus Amsterdam
(...) Jung bedeutet in diesem Fall keine Einschränkung, hat man es doch mit einem Orchester der Spitzenklasse zu tun, von dem man wegen der hervorragend organischen klanglichen Durchbildung und hochgradigen Präzision in der Tat nur als von einem einzigen Klang-Klangkörper sprechen kann.
Es war ein klassisch-romantisches Programm von Gewicht, das die Niederländer unter der äußerst intesiven und schlagtechnisch genauen Leitung Haenchens in Mannheim spielten. Schon die Wiedergabe von Beethovens "Coriolan"-Ouvertrure ließ erkennen, wie durchsichtig dieser Dirigent Stimmenstrukturen und instrumentale Fraben offenzulegen versteht, wie wichtig ihm jedes Detail auch in den feinst abgestuften Mittel- und Unterstimmen ist.
Noch mehr von dieser brillanten, feinfädigen, gleichsam kammermusikalischen Auflichtung profitierte indes Brahms´Doppelkonzert für Violine und Cello. Hier wurde man schlagartig der Diskrepanz gewahr, die zwischen einer nur routinierten (klanglich zumeist "wattigen") und einer tieflotend transparenten Orchester-Interpretation besteht, in der alle Einzelheiten und Farbreize der Stimmverwebung zu eigenem Leben erwachen, ohne daß die sinfonische Einbettung der Solisten an Fülle und Fluß verliert (...)
Nun aber die "himmlischen Längen" der zum Schluß in schöner Formstraffung gebotenen großen C-Dur-Sinfonie Schuberts: sie schienen- köstlich der noble, Diskretion und Strahlkraft vereinende Bech- und Holzbläserklang- von einer unablässig drängenden dynamischen Triebkraft künden zu wollen. Eher von einem starken inneren Motor denn von einer sich ins Breite und Weite verlierenden Selbstvergessenheit.
Das Publikum machte seiner Begeisterung durch rauschenden Beifall Luft.