Sinfoniekonzerte

Sächsische Zeitung, 31. Mai 2008
Sächsische Zeitung 19.5.2008

Bach tief empfunden

Bachs Hohe Messe h-Moll ist ein musikalischer Kosmos. Hier tritt das gesamte Bach'sche Werk mit seinen Facetten und Wendungen, mit seiner Klangfülle, Intensität und durchdachten Spiritualität dem Hörer entgegen. Hartmut Haenchen spielte diesen Bach am Sonnabend in der Frauenkirche mit seinem Kammerorchester auf modernen Instrumenten, in moderner Stimmung, hielt sich nicht an die in der Alten Musik übliche Lateinaussprache. Im Programmheft weiß er das ausführlich zu erläutern.

Noch wichtiger war, dass er mit der Art, wie er das große Werk musiziert, seine Hörer erreichte. Auch wenn am Anfang die Soli und obligaten Soloinstrumente akustisch mit dem Raum zu kämpfen hatten, auch metrisch auseinanderfielen, formte Haenchen doch das Werk zu einem geschlossenen, stilistisch konsequenten und ergreifenden Erlebnis. Insbesondere der Philharmonische Chor München und das Kammerorchester "Carl Philipp Emanuel Bach" wurden zum Träger einer dynamisch differenzierten, emotionsreichen Darbietung. Gerade wie die ersten entscheidenden Worte des "Credo" immer wieder neu behauptet und gleich wieder hinterfragt wurden, wie das weihnachtliche Geheimnis im "Et incarnatus est" illustriert oder mit welcher geradezu romantischer Klangmalerei die Erwartung der Auferstehung (Et exspecto) dargestellt wurden, das waren sinnliche Erfahrung von bedeutsamer Tiefe.

Friedensbitte als Utopie

Chor und Orchester folgen der in Ausdruck, Lautstärke und Tempo genau überlegten Gestaltung ihres Dirigenten, und das Solistenensemble mit Christiane Oelze, James Taylor und Jan-Hendrik Rootering fand sich schnell auch in die akustischen Besonderheiten der Kirche. Besonders anrührend wirkte Annette Markert, die den Mezzo-Part für die erkrankte Katarina Karneus übernahm, etwa im inbrünstigen "Agnus Dei". Mit einem hoffnungsfrohen "Dona nobis pacem", einer Friedensbitte, die schon wie eingelöst klingt, schließt Bachs großes Werk, erscheint wie abgerundet. Und passt damit sehr gut zum diesjährigen Festival-Thema Utopia.
Jens Daniel Schubert