Der Tagesspiegel, 27. November 1994
REINIGENDES GEWITTER
Ein Beethoven-Abend des Kammerorchesters "Carl Philipp Emanuel Bach" könnte die Frage aufkommen lassen, ob denn für die Musik Beethovens nicht andere Orchester prädestinierter sind? Oder ist es so abwegig nicht, daß ein Kammerorchester, das sich den "Berliner Bach" zum Namenspatron auserkoren hat, also den Komponisten, der entwickliungsgeschichtlich einer der wichtigsten Neuerer ist und den Wiener Klassikern den Weg bereitete, auch einmal mit Beethoven zu Wort meldet? So geschah es beim jüngsten Schauspielhaus-Konzert des renommierten kleinen Orchesters von Hartmut Haenchen, der gern etwas riskiert- und dabei zumindest stets musikalisch gewinnt, geleitet (...)
So ein gertenschlanker, konturenschafer, witziger Beethoven schlägt immer noch wie ein reinigendes Gewitter in die vielfach vernebelte Aufführungspraxis der vergötterten Sinfonik ein. Hartmut Haenchen baute seinen Beethoven obendrein dramaturgisch klug auf, ohne aber zum Beispiel im Menuetto und Finale der B-Dur-Sinfonie auf tänzerischen Drive und einen gehörigen virtuosen Wirbel zu verzichten. Daß dieses Orchester aber nicht nur geschliffene musikantische Aktionen über die Bühne tanzen lassen kann, sondern auch ein hauchzartes Pianissimo gleichsam zu singen vermag, bewiesen die überaus transparant gehaltenen Mittelsätze.