De Telegraaf, 21. Juni 2002
Haenchen fand eine ganz neue Lösung für die Probleme, die mit der 10. Sinfonie verbunden sind. Er schmiedete Mahlers Adagio direkt an die "Drei Orchesterstücke" von Alban Berg. Das ist eine goldene Idee. Mahlers Adagio ist noch immer literarische Bekenntnismusik, die er sein ganzes Leben schrieb, aber in harmonischer Hinsicht, in der im Wagnerschen Sinne beinahe aus der Tonart berstenden Melodik und im komplexen Kontrapunkt betrat Mahler neue Wege, die nicht ohne sein Verbindung zu der Gruppe Wiener Komponisten um Arnold Schönberg denkbar sind- die ihn ihrerseits wieder bewunderten und ihrerseits auf Mahlers neuen Ideen aufbauten (...) Haenchens Zusammenfügung der beiden Stücke läßt die Bruchstelle von zwei Seiten hören. Mahler schaut voraus und eigentlich kommt sein mörderischer Akkord (der Neuntonklang) in einer altmodischen Umgebung in der er verwurzelt ist. Berg schaut zurück mit neuem Material in Mahlers Geist und erzählt über diesen Akkord doch wieder altmodisch. Der letzte von Cooke vollendete Satz von Mahlers Sinfonie beginnt mit einem stumpfen Trommelwirbel. Berg eröffnet sein erstes Orchesterstück mit einem grausam drohenden Schlagwerk, welches in dem Kontext, wie ihn Haenchen anbrachte, als die Fortsetzung von Mahlers sinfonischem Werk funktioniert, so wie es hätte werden können, wenn er länger gelebt hätte. Haenchens gewaltige Interpretation rundete das Bild vollständig. Bei ihm hört man Mahlers Neuerungen als einen unentrinnbaren Fremdkörper im Kontext der warmblutigen Wiener musikalsichen Umgebung aus der Luft fallen, die Mahler mit formte (...) Der klare, große Orchesterklang des auch technisch ausgewogen spielenden NedPhO gab die passende Mischung von Wehmut, Angst, Erleuchtung und Modernität, worum es schließlich geht.
Roeland Hazendonk