Ja, genau so liebt man Brahms
... Der Dresdner Hartmut Haenchen, in den Niederlanden
ein Star, in Deutschland immer noch viel zu sehr unterschätzt, eröffnete am Sonntag mit einem Brahms-Programm im Beethovensaal die Saison des Württembergischen Staatsorchesters. ... Doch wie Haenchen in einem lesenswerten Brahms-Essay in seinem Buch "Werktreue und Interpretation" (Pfau-Verlag) nachweist, steht eben nicht alles in den Noten, wie er am Sonntag bei der Matinee mit dem hochmotivierten und spielstarken Staatsorchester demonstrierte. In dieser Form,
also mit so einem Klasse-Dirigenten, toppt es in Homogenität, Ausgeglichenheit der Register und perspektivischer Staffelung, besonders in seiner verbundenen Körperlichkeit, alle anderen Klangkörper der Stadt. Solche satten, versammelten Tutti-Akkorde, die nachschwingen und nicht schneiden, hört man gerne - und leider viel zu selten.
Flüssige Tempi, ein durchgehörter Satz, mit vielen herauspräparierten Nebenstimmen, genaue Dynamik und eine sprechende Artikulation, bewegliche Agogik - all das hob die Aufführung der viel strapazierten c-Moll-Sinfonie aus dem Abonnement-Alltag hervor. Alles Wichtige, was oft untergeht, war da: der markante Paukenpuls der Einleitung (man höre dagegen einmal das laue Gewummere eines Christian Thielemann), ein gehendes, nie schleppendes Tempo im Adagio, ein federleichter Scherzo-Ton im Allegro giocoso und in der Schlussgruppe des Finales Streicher, die tiefgreifend und im Fortissimo den daktylischen Rhythmus markieren -"ben arcato" heißt es, und wird doch viel zu oft überspielt von den Blechbläsern. Nicht hier. ...
Großartig.
Götz Thieme
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