Leipziger Volkszeitung, 21. November 2004
Herzenswärme mit Dvorák
(...) zielt sie (die Musik Dvoráks) auf Herz und Bauch. Zwischen spielerischen, volkstümlichen Akzenten durchflutet immer wieder das Kompatibelste der deutschen Romantik das Geflecht, und selbst das Rheingold funkelt hier und da.
Damit nun kennt sich der Amsterdamer Ring-König und brillante Wagner-Analyst Hartmut Haenchen bestens aus, will sich verständlicherweise trotzdem nicht ganz der befreiten Opulenz hingeben und hat dafür sicherheitshalber gleich den Taktstock liegen gelassen.
Doch die Lust am Tonrausch kann er dann doch nicht verbergen und erklärt Dvoráks "Requiem" zum epochalen Klangkoloss, mit allem was dazugehört (...).
Nicht nur der Mann mit dem lustigen Namen und der kompetenten
Dirigiertechnik, sondern auch die MDR-Rundfunksinfoniker finden spürbar Lust an der notenschweren Partitur. Das ist nicht immer detailgenau, nicht immer in jeder Phrase hochtransparent, aber genug, um Haenchens geschickt gestrickte Dramaturgie in Szene zu setzen. Sei es die brachiale Wucht im "Dies Irae" oder die schimmernden Weichzeichnungen des "Offertorium". Fast schon überflüssig zu
erwähnen, dass der famose MDR-Rundfunkchor sowohl im fortissimo als auch im pianissimo mal wieder Bäume ausreißt.
Was glücklicherweise auch auf die Solistenriege abfärbt. Vielleicht könnte Deon van der Walts Tenor ein wenig schwereloser daherkommen, der nicht unebenen Strecke ist er allemal gewachsen - wie seine Kollegen Angela Maria Blasi (Sopran), Lani Poulson (Mezzosopran) und Harry Peeters (Bass). Haenchen hat hier nämlich nicht nur handwerkssichere Sänger zur Hand, sondern kann ihnen auch in den elegischen Vokalquartetten einen Sinn für den gemeinschaftlich-übergeordneten Gesamtklang vermitteln.
Insofern bleiben die Unvollkommenheiten überschaubar, geraten Herzenswärme wie Intensität aber ganz groß. Damit hätte Dvorák sicher gut leben gekonnt, Haenchen kann es eh, und das MDR-Archiv wird noch seine Freude daran haben.
Friedrich Pohl
Die Konzert-Aufzeichnung wird am 3. Dezember (20.05 Uhr) im Programm von MDR-Figaro gesendet