Sinfoniekonzerte

Dresdner Neueste Nachrichten, 21. Mai 2004
Schönheit und Pathos

Als nach knapp zwei Stunden der bombastische Schluss von Gustav Mahlers 3. Sinfonie den weiten Raum der Kreuzkirche erfüllt hatte, verharrte das Publikum zunächst schweigend. Dann brach Jubel los, jene Spannung lösend, die wohl jeden Hörer erfüllt hatte. Ein Auftakt nach Maß! Eingangs hatte Oberbürgermeister Roßberg in seiner Begrüßungsrede versucht, den Spagat zwischen dem Bekenntnis zu den Festspielen und der Finanzlage der Stadt zu vollziehen. Seine Erklärung, dass Erbe verpflichte, sei optimistisch bewertet (...)

Dann begab sich Festspiel-Intendant Hartmut Haenchen mit dem Radio-Sinfonie-Orchester Frankfurt/M. auf den langen und schwierigen Weg durch die sechs Sätze der Sinfonie. Allein der erste Satz, zugleich die "erste Abteilung" des Werks, dauert 35 Minuten. Sein machtvoller Beginn muss sogleich mystischen Episoden weichen, ist arger Bedrängnis ausgesetzt. Sofort fiel angenehm auf, wie das Orchester exaktes Spiel mit musikalischem Ausdruck verband und wie es Hartmut Haenchen gelang, die Kontraste plausibel darzustellen. Wobei es mir schwer fiel, mich des Komponisten Meinung vom humoristischen Gestus anzuschließen, da Chaotisches über den "Sieg des Sommers" zu triumphieren scheint.

Die "zweite Abteilung" wird eingeleitet durch ein Menuett von nahezu eleganter Verspieltheit, doch auch ihr werden Anfechtungen zuteil. Von Delikatesse waren die Orchester-Soli (Konzertmeister, Solobläser, Trompete "aus der Ferne"). An das nachfolgende Scherzo schloss sich fast pausenlos der mysteriöse Gesang "O Mensch! Gib acht!" an, und dank der Altistin Birgit Remmert ging der Beginn jener Nietzsche-Verse wirklich unter die Haut. So "sagenhaft" (Generalthema der diesjährigen Festspiele) war die Einheit zwischen Sängerin und dem mit kammermusikalischer Dichte aufwartenden Orchester.

Den Befürchtungen, die die Aufstellung der Chöre (bestehend aus Mitgliedern von einem Chemnitzer und acht Dresdner Ensembles sowie Gastsängern) auf den doch weit entfernten 1. und 2. Emporen auslöste, begegnete Haenchen souverän. Resultierend natürlich auch aus der qualitätvollen Vorbereitung durch die Chorleiter, erhob sich das "Bim-bam" der Kinder anrührend über die sehr greifbar gestalteten Wunderhorn-Verse von Altsolo und Frauenchor.

Was sich schließlich im Finalsatz bot, ist mit Worten kaum zu beschreiben. Dieser langsame Satz geht jenen aus der 4. und 5. Sinfonie voraus und erreicht doch schon deren ergreifende Stimmung. Inniges Versenken, berückende Schönheit des Klanges - das waren die Kennzeichen der Interpretation, die schließlich im großartigen Pathos endete.

Zu loben ist das klug gestaltete Programmheft (...)

Hans Peter Altmann