Sinfoniekonzerte

Sächsische Zeitung, 14. September 2002
Geistig und materiell ein Licht entzündet

Hartmut Haenchens Auftakt als Chef der Dresdner Musikfestspiele mit Mahler-Sinfonie

Man mag die ungeheure Kraftentfaltung in Mahlers 8. Sinfonie eher mit Skepsis als mit Bewunderung quittieren. Man mag die inhaltliche Verbindung zwischen dem Pfingsthymnus "Veni, creator spiritus" und der Schlussszene aus Goethes "Faust" nur mühsam nachvollziehen.

Dennoch muss man einräumen, dass die "Sinfonie der Tausend" ein Höhepunkt bürgerlicher Musizierpraxis und bürgerlichen Selbstbewusstseins ist. Acht Solisten, zwei gemischte Chöre, ein Knabenchor und großes Orchester mit Orgel &endash; bei diesem Aufwand erstaunt nicht, dass die jüngste Aufführung in Dresden mehr als zwanzig Jahre zurückliegt. Am Donnerstag erklang sie wieder.

Hartmut Haenchen hat mit dieser Sinfonie auf den Tag genau 92 Jahre nach ihrer Münchner Uraufführung sein Amt als neuer Intendant der Musikfestspiele öffentlich angetreten und dabei bewiesen, dass er einen solchen Riesenapparat sogar in der Kreuzkirche sicher führen kann. Trotz großer Entfernungen zwischen den Mitwirkenden gab es nahezu keine Ungenauigkeiten bei Einsätzen oder der Aufnahme neuer Tempi. Der dynamische Bereich war extrem breit und reichte von Mauern brechendem Fortissimo der Schlusstakte bis zum exzellenten Pianissimo der Chöre ("Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis"). Melodiebögen wurden als spannungsvolle Linien gestaltet, die reinen Instrumentalteile (Einleitung zum zweiten Teil) mit großer Intensität musiziert. Überraschend gut in der Kreuzkirche war das Lautstärkegleichgewicht. Dass mit elektronischer Verstärkung gearbeitet wurde, ist ästhetisch unvertretbar und nur durch die Tücken des Raums halbwegs gerechtfertigt. Die Kopplung der Sinfonie mit dem Vorspiel zum dritten "Parsifal"-Akt erwies sich als dramaturgisch und musikalisch äußerst tragfähig.

Die oft stimmtötenden Solopartien waren mit Ofelia Sala, Catherine Keen, Reinhild Runkel, John Bröcheler, Kurt Rydl und ganz besonders mit Rita Cullis, Angela Maria Blasi und Glenn Winsdale ausgezeichnet besetzt. Der Nationalchor der Ukraine, der Kiewer Rundfunkchor, Kapellknaben, Knabenchor Dresden und philharmonischer Kinderchor blieben ihren großen Aufgaben nichts schuldig. Dazu kam die Niederländische Philharmonie, die gut, wenngleich etwas klangneutral musizierte.

Möglich wurde dieses, nach der Flut als Benefizveranstaltung umgewidmete Konzert nur dank Unterstützung durch die Niederlande und viele Sponsoren. Alle Mitwirkenden verzichteten auf ihre Gage. Insgesamt kamen 50 000 Euro an Spenden zusammen. So berührte das Konzert in doppelter Hinsicht und machte gespannt auf Haenchens ersten Festspiel-Jahrgang. Er ist "Wagner & Wolf" gewidmet.

Peter Zacher