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Mozart, Wolfgang Amadeus: Die Zauberflöte, Fragen eines Dirigentenkollegen

Schnelle Antworten auf wichtige Fragen zur Interpretation

Wolfgang Amadeus Mozart: Die Zauberflöte
Fragen eines Dirigentenkollegen 2005

Lieber Professor,
hier also ein paar Fragen zur Zauberflöte:

- zu Beginn des Finale I (Nr. 8) haben Trompeten und Pauken Dämpfer vorgeschrieben; das wird nicht wieder aufgehoben - wie lange soll con sordino gespielt werden?

Im Autograph stehen beide Bezeichnungen. Eine entgegengesetzte Bezeichnung gibt es nicht. Ich gehe davon aus, dass dies im Zusammenhang mit den Knaben vorgezeichnet ist. Die Aufhebung ist also nach Takt 38 und wird somit Takt 351 wirksam. Ich lasse allerdings Takt 351 als Fernorchester spielen, da dieses im Autograph in der Klammer mit dem Chor "von innen" steht. Dies ist so leider nicht in der NMA (Die Musiker haben aber genug Zeit, um dann wieder an ihre Plätze zu gehen (Takt 370).)

- ich hatte vor, in unserer Produktion Cembalo mitspielen zu lassen; an manchen Stellen, z.B. Quintett Nr. 12 oder Duett Nr. 19 würde dann schon auf der 1. Note die Harmonie sein - spricht grundsätzlich etwas gegen das Cembalo?

Nein - im Gegenteil: Es ist in verschiedenen Quellen immer wieder bezeugt, dass Mozart vom Cembalo aus dirigiert hat. Nicht vom Hammerklavier, was merkwürdigerweise immer wieder von „Spezialisten" gemacht wird. Eindrucksvoll bestätigt das die gezeichnet überlieferte Orchesteraufstellung von der Uraufführung des Don Giovanni, die in Prag in der Villa Betramka, dem Haus der Sängerin Josepha Dussek in den 1970er Jahren zu sehen war. Es gibt da zwei Cembali (keine Hammerklaviere). Eines steht vor dem Dirigenten und eines quer im Orchester. Für Zauberflöte - da es keine Cembalo-Rezitative gibt - genügt natürlich ein Instrument. Selbstverständlich ist die Eins in Nummer 19 zu spielen.

- ist es möglich, in den Rezitativen den Einsatz eines Akkordes bzw. den Einsatz des Sängers nacheinander zu musizieren, auch wenn beides zusammen notiert ist? (z.B. Einsatz Königin in Arie Nr. 4 „Oh zittre nicht" erst nach Abschluß des Akkordes auf der Eins; z.B. im Sprecher-Rezitativ T.108 den Sprecher mit „dich täuschet ein Betrug" aussingen lassen, dann erst den fortepiano-Akkordeinsetzen zu lassen, da er meiner Meinung nach zur Empörung Taminos gehört; usw.

Im Prinzip ja. Es gibt einige Theoretiker, die sich dazu äußern. Die Meinungen gehen allerdings auseinander und es betrifft vor allem das „Nachschlagen" der Kadenz. Dazu heißt es im Wesentlichen: in der Oper nicht nachschlagen, in der Kirche nachschlagen. Dies wird mit dramatischen und akustischen Argumenten begründet. Eine gewisse Freiheit ist da gegeben (in meinem Figaro-Artikel zitiere ich Luigi Bassi, der bestätigt, dass jede Aufführung unter Mozart anders war).
Trotzdem gehe ich bei der Entscheidung immer von der dramaturgischen Konsequenz aus, bzw. vom Autograph bei Mozart, da er manchmal - trotz des Taktes - bestimmte Dinge nicht übereinander schreibt. (Ich meine da in meinem Zauberflöten-Text auch ein Beispiel gegeben zu haben. Aber Achtung: Mozart schreibt lange Note normalerweise in die Taktmitte)
Der Einsatz der Königin ist aber hundertprozentig mit dem Orchester zusammengeschrieben. Das würde ich auch aus dramaturgischen Gründen so sehen. Bei „dich täuschet ein Betrug" steht im Autograph der Akkord eindeutig nach „...trug" (die 16tel der Violinen allerdings wieder darauf - ist also nicht ganz als Beweis anzuführen, würde aber aus meiner Sicht dafür sprechen, es evtl. nachzuschlagen. (Ich habe es nicht gemacht, da das Wort „Betrug“, damit die Reaktion Taminos unmittelbar auslöst).

- Temporelation zwischen Nr. 8 Finale II, T. 228 „Schnelle Füße" = Andante alla breve und T. 265 Allegro alla breve „Ha, hab ich euch doch erwischt!“ : die Tempobezeichnung bei „Schnelle Füße" ist die gleiche wie bei Taminos vorheriger Arie „Wie stark ist nicht dein Zauberton", (ebenso Beginn Finale II), nämlich Andante alla breve, dass ich mit Viertel = MM 104 nehmen würde, demnach müsste man „Schnelle Füße" mit dem gleichen Tempo nehmen, dann wäre ein doppeltes Tempo beim Allegro von Monostatos möglich und man könnte das traditionelle accelerando vermeiden, das eben nicht da steht.

Letzteres sollte man ohnehin keinesfalls machen. Bei Nr. 8, Takt 228 ist auffallend, dass es keine neue Taktbezeichnung gibt. Nur eine Tempobezeichnung. Es bleibt also - wie Sie richtig schreiben - Alla breve. Ich mache: Takt 228 Viertel = MM 136 und Takt 265 Halbe = MM 97. Interessant ist, dass Mozart im Autograph hier ausdrücklich das assai vom ursprünglichen Allegro assai durchgestrichen hat. Deswegen nehme ich kein doppeltes Tempo sondern etwa 2:3. (aber ohne accelerando - und das geht). Da bei Mozart Larghetto und Andante weitgehend identisch sind (siehe weiter unten), nehme ich den Anfang Finale I und die Flötenarie etwa im gleichen Tempo.
Übrigens nehme ich Takt 327 im Tempo nicht zurück, sondern lasse es "lachend" musizieren. Eine Bezeichnung, die leider auch nicht aus dem Autograph in der NMA gekommen ist.
P.S.: Übrigens fehlt in der NMA Takt 143 auf 3 Mozarts autographe Vorschrift Andante (als Aufhebung des Rezitatives)

- Schwierigkeiten habe ich mit den Tempobezeichnungen „Larghetto alla breve" und „Allegretto alla breve"; offensichtlich ist „Larghetto“ nicht das Bindeglied zwischen „Adagio“ und „Largo“ sondern gehört zum Andante-Bereich.

Richtig. Dies ist bei Mozart einfach zu beweisen: Er schrieb sein eigenhändiges Verzeichnis seiner Werke und schreibt dort (aus dem Kopf) seine Werke mit Tempobezeichnung hinein. Dabei schreibt er durchaus ein Larghetto als Andante und andersherum auf. Ein eindeutiges Zeichen, dass hier bestenfalls ein Ausdrucksunterschied, aber kein Tempounterschied vorliegt.

- dann wäre Sarastros „Hallen-Arie“ gar nicht sooo langsam; und „Allegretto“?

Sehr interessant: Im Autograph hat Mozart Andantino sostenuto durchgestrichen und Larghetto darübergesetzt. Andantino ist bei Mozart eindeutig schneller als Andante. Dies war ihm dann - trotz sostenuto - offensichtlich etwas zu schnell und er hat es in Larghetto verändert. Also ein normales Andante. Ich nehme es etwa Achtel = MM 70. Das ist also weit schneller als üblich.

- in der Feuer-Wasser-Prüfung gibt beim zweiten Nachspiel eine Regieanweisung, in der es u.a. heißt: „Eine feierliche Stille." Was ist damit gemeint? Eine akustische Stille oder eher eine optische?

Eine optische (= vollkommener Glanz)

- Der dann unmittelbar einsetzende Chor „Triumpf" müsste auch wie von innen, also leise, klingen.

Das verstehe ich nicht. Der Chor ist doch eindeutig auf der Bühne (also beobachtet das Geschehen?)

- die Stellen mit Keilen lasse ich bei den Streichern überwiegend "batutte" spielen, um einen deutlichen Klangunterschied zum „staccato“ auch im „piano“ zu erreichen - ist das o.k.?

Für bautet gibt es keine Hinweise, dass dies richtig wäre zumal Punkt und Keil ohnehin bei Mozart problematisch sind und das ist nur wirklich aus dem Autograph richtig zu begreifen, da man wissen muss, wie eine Feder schreibt. Bei Einzelnoten ist das noch deutlich, da man mit der Feder den Unterschied gut schreiben kann. Bei Ketten entstehen fast automatisch Keile beim schnelleren Schreiben. In der Zauberflöte ist Mozart allerdings (wie im gesamten Spätwerk) konsequenter und logischer. Nach den Theoretikern ist die Ausführung so: Keil = kurz mit Akzent (aber nicht batutte), Punkt = leichtes unbetontes staccato.

- oftmals sind Keile über den Akkorden, nicht aber über der nächsten Eins, im folgenden Takt wieder Keile, auf der Eins nicht usw. - kann es sein, daß man die Einsen generell kurz spielt bei WAM? (Hab in den Sinfonien auch oft diese Erfahrung gemacht.)

Tonwiederholungen wurden grundsätzlich kurz gespielt. (Bei Beethoven ist ganz deutlich, dass er dort immer das Staccato- und Keil-Zeichen weglässt, da es einfach Aufführungspraxis war.) Für mich ist aber nicht automatisch jede Eins kurz.

- manchmal sind bei Akkorden Keile nur in den Streichern und in den Holzbläsern notiert, nicht aber im Blech. Bei einer Stelle, nämlich dem Marsch der Feuer-Wasser-Prüfung, lasse ich den Unterschied ganz deutlich (die Flöte mit Keilen als Taminos Musik, dagegen Blech weich und 2 volle Achtel als Priester-Musik).

Das ist sicher richtig so, da er ja an anderer Stelle ausdrücklich auch Achtel schreibt.

- manchmal gleiche ich es aber auch an.

Wahrscheinlich richtig.

- das Ende des Sprecher-Rezitatives: notiert sind im Orchester eine Viertel, eine Achtel und eine Achtelpause mit Fermate; sollte man die zwei unterschiedlichen Werte in den Akkorden herausarbeiten, oder ist es nur eine Notationsfrage, da WAM noch eine Pause brauchte, um seine Fermate drübermalen zu können?

Im Autograph steht die Fermate auf der Achtelpause. Das ist logisch, da ja der Auftakt schon wieder der Flöte gehört. Insofern ist das Achtel wahrscheinlich nur nötig, um es notieren zu können. Da ich das zweite Viertel aber einkürzen lasse, sind bei mir beide Akkorde gleich lang (oder kurz).

- Über eine Stelle bin ich noch gestolpert: Wenn Papageno von den Knaben aufgefordert wird, doch sein Zauberinstrument auch zu benutzen, steht für den Glockenspielbeginn „Allegro alla breve“. Dieses wird mit Beginn des Duettes Papageno-Papagena nicht aufgehoben! Meistens wird es aber langsamer als das Tempo vorher gespielt, wahrscheinlich, weil sich die beiden sonst bei den 8-teln die Zunge brechen würde. Der Anfang des Duettes ist aber auch in einem flotten Tempo möglich (z.B. Halbe = MM 108), dann kommt das berühmte „ritardando“ und dann heißt es in den alten Partituren „a tempo", in der NMA allerdings „in Tempo". Das brachte mich auf die Idee, ob WAM möglicherweise mit dem „rit.“ nur in ein moderateres Tempo führen wollte, in dem die Achtel-Passagen ausführbar sind, so dass man den Beginn des Duettes durchaus im „Allegro alla breve“ beginnen kann. Wahrscheinlich nicht sehr schlau von mir gedacht.

Es ist in der guten Hoffnung, ein mögliches Problem damit zu lösen. Aus meiner Sicht kann ich kein Argument finden, dass diese Hoffnung einen Grund in der Partitur hat. Es ist korrekt: Es steht in Nr. 21 im Takt 576 Allegro Alla Breve und beim Duett kein neues Tempo und auch die Bezeichnung in Tempo (so steht es eindeutig im Autograph) ist aus meiner Sicht kein neues langsameres Tempo. Die Virtuosität in den Achteln kommt aus den typischen Vorbildern in der italienischen Oper, die zahlreiche vergleichbare Stellen kennt. Man muss also im Takt 576 bereits an diese Stelle denken. Es gibt darüber hinaus die Möglichkeit unmerklich das Tempo nach der Fermate 616 zurückzuhalten, ohne dass dies „fühlbar" wird, da diese Fermate (laut Leopold Mozart) mir einem ritardando eingeleitet werden kann. Einen Tempowechsel innerhalb des Duettes sehe ich nicht. Außerdem ergibt sich aus meiner Sicht ein klares Tempoverhältnis zum piu moderato im 4/4-Takt: Halbes Tempo. Überhaupt liegt in dem ganzen Finale entsprechend dem alten integer valor ein einheitlicher Grundschlag zu Grunde, der natürlich auch Verhältnisse von 2:3 usw. hat. Aber das Allegretto Takt 543 dürfte wiederum den gleichen Grundschlag wie Takt 576 nur eben in Vierteln gedacht (oder dirigiert) haben.

Soweit in Eile zwischen Walküre und Rheingold.
Alle guten Wünsche Ihr
Hartmut Haenchen

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