Texte

Wagner, Richard: „Ja der Lohengrin, den hat Wagner schon vor langer Zeit geschrieben, damals war er noch nicht so entartet.“

Programmheft Beitrag für die Aufführungen in Madrid 2014

pdf mit allen Quellenangaben und Fußnoten unter dem Text

Entstehung und Stil
Wagner wurde vorgeworfen, dass er mit Lohengrin eher wieder zurück zur „Romantischen Oper“ gekehrt war, die er mit Rienzi eigentlich überwunden glaubte. Im Zusammenhang mit der Arbeit am Tannhäuser stieß Wagner auch auf die Lohengrin-Erzählung. Und nach der 1845 schnell entworfenen Dichtung, die auch von Robert Schumann für gut befunden wurde, begann er während eines Kuraufenthaltes leidenschaftlich mit der Ausarbeitung
von Lohengrin und schrieb die musikalische Skizze in nur sechs Wochen, obwohl der Stoff vorher zunächst auf ihn einen „unangenehmen Eindruck“ machte. Erst, als der unmittelbar gelesene historische Text in Vergessenheit geriet, „tauchte die Gestalt des Lohengrin (…) mit wachsender Anziehungskraft vor meiner Seele auf“, als ihm bewusst wurde, dass es ein „eigentliches Gedicht des Volkes“ war. Ihm wurde deutlich, dass die Geschichte kein christliches, sondern ein zutiefst menschliches Sujet ist: Das Weib, das „aus sonniger Höhe Lohengrin hinab an die wärmende Brust der Erde zog.- Lohengrin suchte das Weib, das an ihn glaubte: das nicht früge, wer er sei und woher er komme, sondern ihn liebte, wie er sei (…). Er suchte das Weib, dem er sich nicht zu erklären, nicht zu rechtfertigen habe, sondern das ihn unbedingt liebe. Er mußte deßhalb seine höhere Natur verbergen, denn gerade eben in der Nichtaufdeckung, in der Nichtoffenbarung dieses höheren – oder richtiger gesagt: erhöhten – Wesens konnte ihm die einzige Gewähr liegen, daß er nicht um dieses Wesens willen nur bewundert und angestaunt, oder ihm – als einem Unverstandenen – anbetungsvoll demüthig gehuldigt würde, wo es ihn eben nicht nach Bewunderung und Anbetung, sondern nach dem Einzigen, was ihn aus seiner Einsamkeit erlösen, seine Sehnsucht stillen konnte. – nach Liebe, nach Geliebtsein, nach Verstandensein durch die Liebe, verlangte. Mit seinem höchsten Sinnen (…) wollte er nichts Anderes werden und sein, als voller, ganzer, warmempfindender und warmempfundener Mensch, also überhaupt Mensch, nicht Gott, d.h. absoluter Künstler. So ersehnte er sich das Weib, – das menschliche Herz.“ Da an ihm aber der „verrätherische Heiligenschein“ haftet, kann dieser nur Neid und Zweifel hervorrufen, die auch „in das Herz des liebenden Weibes“ dringen. Die Kritik seiner Freunde am Text, der Lohengrin in der Sicht seiner Freunde als „eine kalte, verletzende Erscheinung“ empfinden ließ, veranlassten Wagner über Änderungen nachzudenken, die er jedoch verwarf, da er sich in seinem Leben als Künstler mit der tragischen Einsamkeit des Lohengrin verwandt fühlte: „In Wahrheit ist dieser Lohengrin eine durchaus neue Erscheinung für das moderne Bewußtsein: denn sie konnte nur aus der Stimmung und Lebensanschauung eines künstlerischen Menschen hervorgehen.“ Martin Geck fasst
Wagners Standpunkt so zusammen: „Wir brauchen Künstlergenies von der Reinheit Lohengrins, wenn wir unsere deutsche Nation (die es ja damals nicht gab HH) aus Zerstrittenheit und politischer Intrige in eine bessere Zukunft führen wollen.“ Wagner sah sich mit Lohengrin auf der Höhe der dichterischen Gestaltung, die in der Lage war, die Mythen auf das „wirkliche Leben“ 15 zu beziehen. Für Wagner ist dies der traurigste Stoff aller seiner Werke, welches er in der „Enge und Dürftigkeit“ des Bauernhauses in Graupa bei Dresden skizzierte." Musikalisch beginnt Wagner sich hier mit der Gestaltung der Leitmotive von der bisherigen bloßen Reminiszenz zu lösen und macht sie zum Teil des Dramas. Die Orchestrierung birgt vielerlei Neuerungen, die sich durch umfängliche Aufspaltung des Streicherklanges auszeichnet, wie es vorher niemand wagte. Mit diesen Mitteln charakterisiert er vor allem die Titelfigur und seine Aufgaben in der Welt des Grales, der für Wagner „als Quell unvergänglicher Liebe“ charakterisiert wird. Neu ist auch, das verschieben wichtiger Themen in die mittleren und tiefen Lagen durch eine charakteristische Instrumentation mit neuen Klangfarbenkombinationen, die sich gegen eine höhere Begleitung durchsetzen kann. Ähnlich wie schon in Der fliegende Holländer für die Titelfigur, findet er für die Ausgestoßenen der Gesellschaft - hier Ortrud - die besondere moderne Musik, die durch eine tonale Beziehungslosigkeit auffällt und sich durch besondere metrische Freiheit auszeichnet."

Aufführungsgeschichte
Da Wagner zur Zeit der Uraufführung im Exil sein musste, da er immer noch mit Haftbefehl als „Aufrührer“ gesucht wurde, war er gezwungen, sich vielfältig schriftlich zum Stück und zu allen Interpretationsfragen zu äußern, die für heutige Interpreten die Grundlage von Aufführungen sein sollten. Von größtem Belang sind dazu die zahlreichen ausführlichen Briefe mit Bühnenbild-Zeichnungen und Regieanweisungen an den Freund (später Schwiegervater) Franz Liszt, der die Uraufführung in Weimar gegen viele Widerstände durchsetzte. Aus späteren Zeiten sind die Aufzeichnungen von Felix Mottl von der von Wagner im Jahre 1875 selbst dirigierten Aufführung in Wien von großer Bedeutung. Aus der Arbeit am Ring 1876 wissen wir, dass Wagner diese Bemerkungen nicht als beliebig nutzbar, sondern als Bestandteil der Partitur betrachtete. Also als eine unbedingte
Zufügung dieser Veränderungen zur Partitur verstanden wissen wollte. Verschiedene grundlegende aufführungspraktische Gegebenheiten sind verlorengegangen. Zum Beispiel das ständige abnehmen der Dynamik bei mehreren Fortissimo- oder Fortezeichen nacheinander. Wagner erklärt diese von Beethoven übernommene Spieltradition eindeutig in seiner Widmung der „Lohengrin“-Partitur an Franz Liszt (1852). Eine solche
Spielweise löst ganz von selbst viele Balance-Probleme zwischen den Singstimmen und dem Orchester. Auch das von Wagner ausdrücklich vorgeschriebene Portamento verschwindet aus offensichtlicher Unwissenheit von Wagners Notation aus der Aufführungspraxis. Bei Richard Kraus und Herbert von Karajan und bei Sängern wie Lilly Lehman, Christa Ludwig und Peter Anders kann man das noch exemplarisch hören, wie es bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts partiturgetreu ausgeführt wurde. Lohengrin war neben Tannhäuser die meistgespielte Oper Wagners. Allein im Jahre 1885 wurde das Werk von 28 deutschen Bühnen 123mal gespielt, einzig zu dieser Zeit übertroffen vom Trompeter von Säckingen des heute nahezu vergessenen Komponisten Victor Ernst Nessler. Cosima schreibt: „Lohengrin bewährt sich als das ergiebigste Opus Richard’s.“ In anderen Ländern gab es Erfolgsmeldungen aus Brüssel, Bologna - wo auch Verdi der Aufführung beiwohnt, Florenz, Mailand - mit 50 von Ricordi bezahlten Hörern, die die Aufführung auspfeifen sollten -, New York, Boston, Straßburg, London,
Turin, Melbourne, Paris, Rom, Neapel, Madrid zur Zeit der Säkular-Feier für Calderon und unter der Leitung des Komponisten in Wien." "

Die Personen

Richard Wagner suchte den denkenden, singenden Darsteller: „… denn jedes nur auf materielle Kraft abgerichtete (…) Gesangsorgan wird beim Versuche der Lösung der Aufgaben der neueren deutschen Musik, wie sie in meinen dramatischen Arbeiten sich darbieten, sofort erliegen und erfolglos sich abnützen," wenn der Sänger dem geistigen Gehalte der Aufgabe nicht vollkommen gewachsen ist.“
Lohengrin war für Wagner nicht derjenige, der aus „seinem glänzenden Reiche“ auf die Erde kommt um bei dem ersten Konflikt „der irdischen Leidenschaften“ dieser wieder den Rücken zu kehren. Wagner wollte es der Musik überlassen - nicht der Szene - wenn er Elsa zum ersten Male gegenübersteht und er das „unvermuthete und schnell entflammte Feuer der Liebe“ fühlt. „Er kommt von dort her, wo sie hinstrebt, über die
Begegnung müssen aber die Herzen brechen".
Elsa, die „unschuldig verfolgte Jungfrau“ mit dem „traumhaft visionären Wesen“ ist Wagners Gegensatz zu Lohengrin und gleichzeitig der andere Teil von Lohengrins Wesen. „Elsa ist das Unbewußte, Unwillkürliche, in welchem das bewußte, willkürliche Wesen Lohengrin’s sich zu erlösen sehnt.“ Und im Ausbruch ihrer Eifersucht zeigt sich „das rein menschliche Wesen der Liebe“. Wagner beschreibt, dass er selbst litt, als er die
„unabweislich tragische Nothwendigkeit der Trennung, der Vernichtung der beiden Liebenden empfand. Dieses Weib, das sich mit hellem Wissen in ihre Vernichtung stürzt um des nothwendigen Wesens der Liebe willen“, weil aus der innersten Not des weiblichen Herzens sich diese Frage wie ein Schrei los ringt, und – der Zauber verschwunden ist.“ „Elsa hat Lohengrin verwirkt, ihr Vereinigtbleiben ist unmöglich, denn
als Elsa die Frage an ihn richtet, sind Beide bereits geschieden.“ Wagner wollte ganz bewusst das Publikum von Anfang an befürchten lassen, dass Elsa die verbotene Frage stellt, um die Spannung bis zum 3. Akt aufzubauen, wenn sie in größtem Entsetzen wahrnimmt „daß er aus Glanz und Wonne kommt“. Wagner sagt über sie: „Sie war der Geist des Volkes, nach dem ich auch als künstlerischer Mensch zu meiner Erlösung verlangte.“
Die beiden folgenden Figuren, obwohl sie die negativen menschlichen Eigenschaften darstellen, hat Wagner „mit tiefer Sympathie“ geschaffen. „Er sagte, wie ihnen das Elend der Ausgestossenen zur ergreifenden Darstellung gelange“
Die Rolle der Ortrud, wurde von der Sängerin Malwina Schnorr von Carolsfeld als „gesundheitsgefährlich“ angesehen. Von Wagner wurde sie als eine „schlecht bekehrte Heidin“ gesehen. „Ein Weib, das die Liebe nicht kennt.“ „Es ist eine Liebe in diesem Weibe, die Liebe zu der Vergangenheit, zu untergegangenen Geschlechtern, die entsetzlich wahnsinnige Liebe des Ahnenstolzes, die sich nur als Haß gegen alles Lebende, wirklich Existirende äußern kann.“ „Ihr Wesen ist Politik. Ein politischer Mann ist widerlich, ein politisches Weib ist grauenhaft“. „Eine Reaktionärin“ nach Lehre der Inder „nach der (durch Seelenwanderung) ein jeder Mensch alle verschiedenen Lebenslagen im Laufe der Zeiten durchmache, so dass der, welcher heute glücklich und gut, vor Zeiten auch unglücklich und böse gewesen sei.“
Friedrich von Telramund lässt sich immer wieder von seiner Frau Ortrud manipulieren. Er ist nach eigener Aussage der Erzieher Elsas und Gottfrieds, der Kinder des verstorbenen Herzogs von Brabant. (Übrigens irrt sich hier Wagner in der Betonung des Landes Brabant. Die Betonung liegt hier eigentlich auf der ersten Silbe.) Telramund sagt auf Grund der erdachten Intrige von Ortrud aus, Gottfried sei auf einem Spaziergang mit
seiner Schwester im Wald verschwunden. Er klage Elsa daher des Brudermordes an, obwohl sie ihm eigentlich als Braut versprochen war. Er selbst habe dann Ortrud, die letzte Nachfahrin des Friesenfürsten Radbod, geheiratet. Daher beanspruche er zusätzlich die Fürstenwürde von Brabant, auch dies eine Einflüsterung von Ortrud, wie auch der versuchte Mord an Lohengrin."
Wagner stellt sich diesen König in „edler, naiver Einfachheit“ vor. Ein Königtum in seinem „idealsten Wesen“ und überhaupt „kein despotischer Prunk.“
Der Heerrufer des Königs ist nicht nur ein „Sprachrohr“ des Königs. Wagner wollte ihn immer von allen Geschehnissen betroffen wissen, „als ob ihn alles persönlich anginge, keine Maschine.“

„Tempi schrecklich“
So wichtig Felix Mottls Aufzeichnungen als Assistent von Wagner für die heutige Aufführungspraxis sind, so wenig darf man Mottls eigene Aufführungen in der Temponahme als Maßstab nehmen, da sie eindeutig Wagners Vorstellungen widersprechen. Einige wenige Metronomziffern sind uns von Wagner für die Uraufführung überliefert. Sie ergeben einen wichtigen Anhaltspunkt. Wagner handhabte Tempi sehr flexibel und folgte dem gesprochenen Text. Daraus ergeben sich durchweg flüssige Tempi. Wagner gab die Aufführunsgzeit von Lohengrin mit 4 Stunden an. Also eine Stunde (sic.) kürzer, als Liszt in Weimar bei der Uraufführung brauchte. Wagner fand viele Tempi „verschleppt und verschludert“. Auch in der Bayreuther Aufführungstradition zwischen 1874 und 1971 gibt es Unterschiede von 45 Minuten. Das bedeutet Unterschiede im 1. und 3. Akt von 31%. Dabei sind
Wagners Anweisungen vollständig klar und werden sehr oft nicht berücksichtigt. Ohne Sprünge sollte die Aufführungsdauer, da er bei den von ihm angegeben 4 Stunden die zwei Pausen eingerechnet waren, nicht länger als 3 Stunden und 20 Minuten dauern. Schon die erste Aufführung in Bayreuth, die nach Wagners Tod unter Felix Mottl 1874 stattfand, war deutlich zu langsam (zwischen 3 Stunden 40 Min. bzw. 3.45). Im Zuge der
Verlangsamung und pathetischeren Aufführungen in der Zeit des Nationalsozialismus wurden die Tempi unter Heinz Tietjen bis zu 3 Stunden 52 Minuten verlangsamt. Wagner selbst gibt immerhin zu bedenken, dass erste Aufführungen „immer etwas länger dauerten als die nachfolgenden, trotzdem in diesen nicht gestrichen wurde.“ Freundlich versuchte er Franz Liszt zu schnelleren Tempi zu bewegen und Liszts Wünsche nach
Kürzungen trat er entgegen: „Wenn Alles straff u. energisch gehalten wird, ist nichts zu lang.“ Er meint, dass er den Zeitgewinn von Kürzungen „durch elastischeres Tempo“ wie er es dirigiere, „gerade dem durch die Kürzungen herbeigeführtes gleichkommen wird.“ Die größten Verlangsamungen stellte er immer wieder in den rezitativischen Stellen fest: „Somit keine Art von Schleppen und Dehnen solcher Phrasen, die nicht streng begleitet sind, sondern genau im Tempo; das Gegentheil bewirkt ein unerträgliches und gänzlich entstellendes Auseinanderziehen.“ An den Dirigenten Johann Franz von Herbeck schreibt er über eine Stelle im 2. Akt „hier u. an ähnlichen Stellen ward zu sehr gevierviertelt, was Alles lahm legt, auch die sechsgetheilten Passagen der Violinen ihres Feuers beraubt. Da heißt’s muthig: alla breve!“ Wir bekommen also sogar Anweisungen
von Wagner, wie bestimmte Stellen dirigiertechnisch gelöst werden sollen. " Das Vorspiel wird von Felix Mottl in Wagners Wiener Tempo als „unendlich breit“ charakterisiert. Wagner gibt es an Liszt mit MM = Achtel 76 an, aber die Anweisung wurde von der Mehrzahl der Dirigenten missverstanden und deutlich zu langsam ausgeführt: Karl Böhm: Achtel 54, Georg Solti: Achtel 58, Joseph Keilberth und Arthur Bodansky: Achtel 66, Herbert von Karajan: Achtel 66, Rudolf Kempe: Achtel 68. Richard Kraus, der in seinen Assistenzen in Bayreuth noch die musikalischen Ansichten des Wagner-Sohnes Siegfried kennenlernte, trifft Wagners Tempo genau. Auch an einigen anderen Stellen ist das Fehlen der Kenntnis von Wagners Vorschriften deutlich zu verfolgen: Felix Mottl gibt Wagners Anweisung während der Wiener Proben für eine Stelle mit „Etwas fließender“ an, wo
Herbert von Karajan und Richard Kraus ausdrücklich langsamer werden. Oder etwas später wird in einem Tempo mit der Bezeichnung „Langsamer“ ausdrücklich ein „sehr ruhig“ angegeben, wo Georg Solti und andere schneller werden. Oder Joseph Keilberth übersieht die Anweisung „Fließender im Zeitmaß“ und hält das Tempo bei." Finden sich noch bei einigen Dirigenten Umsetzungen der von Felix Mottl im von ihm
herausgegebenen Klavierauszug festgelegten zusätzlichen Anweisungen wieder, so bleiben die originalen Anweisungen Wagners, die in keiner Partitur und keinem Klavierauszug stehen und nur in seinen zusätzlichen schriftlichen Äußerungen zu finden sind, durch offensichtliches Unwissen oftmals keine Beachtung." So kennen Herbert von Karajan und Arthur Bodansky Wagners Anweisungen an Liszt offensichtlich nicht, wo er ausdrücklich „stark ritardieren“ vorschreibt. Auch mit der Temponahme im Finale des 1. Aktes war Wagner nicht einverstanden: „Leider aber wirkt das Finale des I. Aktes des Lohengrin durch Schleppen und Jagen am
unrichtigen Ort wieder sehr verstimmend." Nirgendwo, außer in Wagners eigener Klavierbearbeitung sind zum Beispiel die ausdrücklichen Tempoveränderungen im Brautchor zu finden. Hier ist auch durch Wagners eigene Bearbeitung zu sehen, dass er ständig versuchte, seine Anweisungen zu verbessern, indem er neben Tempomodifikationen die Artikulationen deutlicher machte, den Text leicht veränderte, sogar die eine oder andere Note korrigierte und vor allem Dynamik hinzufügte. Alles wichtige Interpretationshinweise, die zwar original sind, aber in keiner Partitur stehen und deswegen auch bisher nicht berücksichtigt wurden." Wagner schreibt für das Racheduett zwischen Ortrud und Friedrich in der Partitur „Mäßig langsam“. Offensichtlich verleitete dies Sänger und Orchester zu langsam zu sein, denn Mottl berichtet, das Wagner rief: „Diese ganze Stelle nicht zu langsam, Ruhiger Alla breve-Takt“. Bei der Gottes-Anrufung des Königs steht von Wagner vorgeschrieben: „Feierlich“. Offensichtlich hat Wagner laut der Aufzeichnung von Mottl den Wiener Musikern erklärt, dass „Feierlich“ eine Ausdrucksbezeichnung und keine Tempobezeichnung ist. Immer wieder gibt es während der Proben Wagners Aufmunterungen, die nicht in der Partitur stehen, nicht zu langsam zu werden: „fließend“, „Etwas bewegter“, „markato aber ohne ritardando“ und auch wo er in der Partitur „sehr ruhig“ bei Lohengrins Text „Dein Lieben muß mir hoch entgelten…“ schreibt, korrigiert er sich in „etwas mäßiger“, da offensichtlich seine erste Bezeichnung ebenfalls nicht als Ausdrucksbezeichnung sonder als Tempobezeichnung verstanden wurde. An Liszt schreibt er7 „Hier ein klein wenig das vorangehende Tempo mäßigen!“. Dies bedeutet immer noch ein sehr schnelles Tempo, da vorher von ihm Halbe Takte mit MM = 66 angegeben wurden. Auf der anderen Seite versucht er auch zu schnelle Tempi um der Deutlichkeit Willen nicht zu verhetzen: Zum Vorspiel des 3. Akt, den er mit MM = 88 angab, fügt er später zu: „Sehr feurig, doch nie übereilt 72“. Die von ihm immer wieder verlangte sehr große Streicherbesetzung (16,16,12,12, 8) 73 und eine Besetzung in St. Petersburg mit 130 Orchestermusikern, also noch größerer Streicherbesetzung, war für ihn „ein erhabener Eindruck“. An seinen Tempovorstellungen änderte dies nichts. Für ein Konzert mit Teilen aus Lohengrin entwickelte er eine bemerkenswerte, auch heute bedenkenswerte Orchesteraufstellung: 1.Violinen links, 2. Violinen rechts, Bratschen in der Mitte, dahinter erhöht die Violoncelli und die Kontrabässe in zwei Gruppen links und rechts geteilt hinter den Violinen und Violoncelli. Da die Orchestergräben für solche Besetzungen zu Wagners Zeit oftmals zu klein waren, setzte er die Musiker sogar in die ersten Reihen des Publikums.

„Ach! und es fällt so schwer, wenn man von den Deutschen etwas Gutes sagen will.“
Wagner kann sich über nationalistische Äußerungen - im Gegensatz zu der allgemein verbreiteten Ansicht, die ihre Ursache im Missbrauch seiner Musik und seiner Schriften im Nationalsozialismus hat, durchaus lustig machen, oder sie sarkastisch abtun." Auch im Lohengrin gibt es eine Reihe von Stellen, die ein „deutsches Reich“ verherrlichen." Man muss sich aber immer wieder bewusst machen, das Wagner hier eine Utopie ausdrückt, denn das Deutsche Reich wurde erst 1871 gegründet, der Text zu Lohengrin wurde aber 26 Jahre davor geschrieben, wo an eine Reichsgründung nicht zu denken war. Schon in jungen Jahren träumte er den Traum eines einigen Europas in dem ein deutsches Reich als Teil aufgehen sollte und macht sich, als es ein deutsches Reich gab, über separatistische Ideen der Deutschen lustig, sarkastisch was den antieuropäischen Gedanken betrifft, sozialkritisch und antikapitalistisch, beinahe eine Vision der heutigen „Bankenkrise“: „Dagegen freute ich mich, als eine gemeinsame deutsche Reichsmünze hergestellt wurde, und namentlich auch, als ich erfuhr, daß sie so original-deutsch ausgefallen sei, daß sie zu keiner Münze der anderen großen Weltstaaten stimme, sondern bei „Franc“ und „Schilling“ dem „Cours“ ausgesetzt bleibe: man sagte mir, das sei allerdings chicanös für den gemeinen Verkehr, aber sehr vortheilhaft für den Banquier. Auch hob sich mein deutsches Herz, als wir liberaler Weise für „Freihandel“ stimmten: es war und herrscht zwar viel Noth im Lande; der Arbeiter hungert und die Industrie siecht: aber das „Geschäft“ geht. Für das „Geschäft“ im allergrößesten Sinne hat sich ganz neuerdings ja auch der Reichs-„Makler“ eingefunden, und gilt es der Anmuth und Würde allerhöchster Vermählungsfeierlichkeiten, so führt der jüngste Minister mit orientalischem Anstande den Fackeltanz an.“ Und selbst seinen Lohengrin -Text verändert er für einen Gesangverein an Stelle von „Nie soll der Feind aus seinem öden Osten“ in „windigen Westen“. Und in Wien strich er mit Rücksicht auf die Anwesenheit auf einen Gast aus Ungarn bei der von ihm dirigierten Wiener Aufführung: „Nach Deutschland sollen noch in
fernsten Tagen - des Ostens Horden siegreich nimmer ziehn“."
Das tun wir auch bei unserer Madrider Produktion." "

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