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30 Jahre Leitung des Kammerorchesters C.Ph.E. Bach durch Hartmut Haenchen

Eine eingeschworene Gemeinschaft

Eine eingeschworene Gemeinschaft
30 Jahre Leitung des Kammerorchesters Carl Philipp Emanuel Bach durch Hartmut Haenchen, 2012

Eine Art „Perlenhochzeit“... Ein Grund um ein wenig zurückzuschauen: 1978 dirigierte ich – damals noch Chefdirigent am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin – das Kammerorchester Musica Nova der Deutschen Staatsoper Berlin – so hieß es offiziell – erstmalig. Die Verbindung entstand durch eine lange Reihe von Gastdirigaten an der Staatsoper Berlin und in Konzerten der Berliner Staatskapelle seit 1971. Ein Dirigent mit viel Erfahrungen in Uraufführungen und ein in moderner Musik (wie der Name des Orchesters schon sagt) spezialisiertes Orchester trafen aufeinander. Wir versuchten neuen Werken den Weg zu ebnen. Dies war nicht einfach, da wir die Werke, die wir aufführen wollten aus politischen bzw. Valuta-Gründen nicht spielen durften, und die, die wir spielen sollten, nicht spielen wollten. Inzwischen ereignete sich in Schwerin ein politischer Eklat zwischen der SED-Bezirksleitung und mir als Generalmusikdirektor und Chefdirigenten des Staatstheaters, der zur unmittelbaren Kündigung führte . Nach kurzer Zeit wurde mir klar, dass es sich nicht nur um einen Bruch mit Schwerin handelte, sondern dass alle nachfolgenden Verträge (z.B. Chefdirigent der Komischen Oper Berlin, Auslandsreisen, Gastdirigate im Land) auch annulliert wurden. Mir wurde bewusst, dass ich plötzlich „Berufsverbot“ hatte. Lediglich Prof. Hans Pischner, damaliger Intendant der Deutschen Staatsoper, unterstützte die Idee des Kammerorchesters mich als Künstlerischen Leiter in Nachfolge von Dieter-Gerhard Worm zu berufen. Das Kammerorchester war sich der Tatsache bewusst, dass man mit mir eine in Ungnade gefallene Person zum Leiter machen wollte. Wie für alle Verträge das Kammerorchester – gleich ob Musiker oder Dirigent – galt hier ein Wort als Vertrag. Dieses Wort hält nun mehr als 30 Jahre. Eine Zeit, in der das Profil des Orchesters vollständig verändert wurde. Aus den oben beschriebenen negativen Erfahrungen entstand die Idee, Entdeckungen in der Berliner Musikgeschichte zu suchen. So lag es auf der Hand, den Kammercembalisten Friedrich II. Carl Philipp Emanuel Bach zum Namenspatron zu machen, denn in den 1980er Jahren, war er weitgehend in Vergessenheit geraten und seine Musik war die Avantgarde des 18. Jahrhunderts. Inzwischen kann das Kammerorchester mit einigem Stolz sagen, dass seine Werke wieder zum Repertoire in der ganzen Welt gehören.
In den folgenden Jahren entstanden wichtige CDs und DVDs (insgesamt 55 unter meiner Leitung), die das Orchester in der ganzen Welt bekannt machten. Dadurch wurden Tourneen möglich und damit auch mein „Berufsverbot“ langsam wieder aufgehoben, da die DDR dadurch Valuta verdienen konnte. Inzwischen haben wir alle wichtigen europäischen Festivals besucht, in einem großen Teil der europäischen Länder und vielfach in Japan gastiert. Mit der Eröffnung des Konzerthauses bekamen wir eine neue „Heimat“. Die Jahre 1989/90 brachten dann Veränderungen die den Weiterbestand des Orchesters in Frage stellten, da die Kosten einer eigenen Reihe mit den Einkünften durch ein vollständig anderes Preisgefüge nicht mehr in Übereinstimmung zu bringen waren. Nur durch die übereinstimmende, noch immer anhaltende Bereitschaft von Orchester, internationalen Solisten und Dirigent – unsere Konzertreihe ohne Honorar aufrecht zu erhalten, ist dieses Kleinod erhalten geblieben und hat vielerlei Ausgrabungen aus der Berliner und Brandenburgischen Musikgeschichte zu klingendem Leben erweckt. Insgesamt sind es etwa 90 Werke, die so wieder den Weg in die Musizierpraxis gefunden haben. Insgesamt haben wir gemeinsam ein Repertoire von mehr als 600 verschiedenen Werken aufgebaut und ständig kommen neue Werke dazu. Mir bleibt nach so langer, in heutiger kurzlebiger und auf materiellen Erfolg gerichteter Zeit nur meinen tiefen Dank auszudrücken. Dank an die Musiker und die mit uns arbeitenden Solisten, die die besondere Arbeitsweise und die ungewöhnlichen Qualitäten des Orchesters schätzen und so eine ungewöhnliche Konzertreihe in Berlin erhalten haben. Dank auch meinem treuen und neugierigen Publikum und denjenigen, die das Orchester immer wieder unterstützen.

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