Das war sicher nicht seine Absicht, aber manchmal gestalten sich die Dinge anders: Nachdem ich nach einem politischen Eklat als Chefdirigent der Mecklenburgischen Staatstheater meinen Reisepass nicht mehr nutzen durfte, somit bis auf wenige Ausnahmen Dirigierverbot hatte und auch mein Engagement als Chefdirigent der Komischen Oper vor Amtsantritt gekündigt wurde, stand eine ganz einfache Frage im Raum: Wie wird dieser Vertragsbruch finanziell abgegolten. Ich wollte kein Geld ohne Arbeit. Die Komische Oper bot mir daraufhin als erste Möglichkeit Aribert Reimanns Lear an. Ich fuhr nach Berlin um mit Harry Kupfer darüber zu sprechen. Er kannte mich aus Dresden als Dirigent klassischer und barocker Musik und sagte mir in seiner wunderbar direkten Art, dass er sich nicht vorstellen kann, dass ich eines solchen Werkes Herr werden könnte. Mein Argument, dass ich seine Parsifal-Produktion an der Deutschen Staatsoper vor von der Stasi aufgekauftem Publikum übernommen hatte, half nichts, denn er hatte es nicht gehört. Er ging das Wagnis trotzdem mit mir ein. Dieser Lear wurde eine so aufregende Produktion, dass in der Generalprobe noch die Darstellung des Lebens in der DDR schnell aus dem Vorspiel gestrichen werden musste. Trotzdem ein großer Erfolg für Harry Kupfer und ebenso für den Dirigenten, der daraufhin gleich zu den Berliner Philharmonikern eingeladen wurde. Dieser Lear war der Anfang einer Zusammenarbeit, wie ich sie in meinem künstlerischen Leben an Intensität und inhaltlichem Tiefgang nie wieder in diesem Umfang erleben durfte. Dieser Zusammenarbeit verdanke ich eine Einladung an die Niederländische Oper nunmehr mit keinem frühklassischen oder barocken Stück: Elektra an der Niederländischen Oper.
Dieses Ereignis führte zu meinem Engagement als Generalmusikdirektor an der Niederländischen Oper und als Chefdirigent an die Niederländische Philharmonie und das Niederländische Kammerorchester. Dadurch konnte ich aus der DDR ausreisen. In dieser Funktion war ich in der Lage nicht nur gleich zum Amtsantritt die Berliner Produktionen von Lear und Giustino nach Amsterdam zu bringen, sondern einen Tag später auch die Premiere von Boris Godunov in dem neuen Haus an der Amstel gemeinsam mit Harry Kupfer gestalten. Mit Salome in Amsterdam und Orfeo ed Euridice in Berlin setzten wir unsere gemeinsame Arbeit fort. Es folgten an der Niederländischen Oper La Damnation de Faust, Meistersinger und Frau ohne Schatten. Durch einen Intendanten-Wechsel in Amsterdam sind weitere Pläne leider nicht verwirklicht worden. Nun hoffe ich auf eine neue Chance und wünsche dem Jubilar dazu vor allem gute Gesundheit, viel Kraft und weiterhin seine unermüdliche Energie um Sänger-Darsteller und auch alle, die um diese herum wirken, weiterhin so einmalig zu motivieren. Vielen Dank und herzliche Gratulation Harry Kupfer!