Texte

Offener Brief

Oberbürgermeisterin Dr. Pia Findeiß
, Stadt Zwickau
Oberbürgermeister Ralf Oberdorfer, Stadt Plauen

Oberbürgermeisterin Dr. Pia Findeiß

Stadt Zwickau
 PF 20 09 33
08009 Zwickau

Oberbürgermeister Ralf Oberdorfer
Stadt Plauen
Unterer Graben 1
08523 Plauen

Offener Brief

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin Dr. Findeiß,
 sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Oberdorfer,

sie haben ja schon einige Briefe zur Frage der geplanten Schließung der Opernsparte in zwei Städten erhalten. Was z.B. Prof. Ekkehard Klemm in seinem Brief schreibt, kann ich nur unterstreichen.
Ich möchte ein paar Fragen hinzufügen. Wenn Sie diese alle mit Ja beantworten können, sollten sie die Opernsparte schließen, wenn Sie auch nur eine mit Nein beantworten, sollten Sie Lösungen suchen, nach der schwierigen Fusion den Aufschwung der Oper in Ihrer Region als Verdienst Ihres politischen Wirkens zu sehen. Und dieser Aufschwung steht bevor. Ich bin sicher, dass Sie dies schon nicht mit Nein beantworten können.

Die erste Frage ist ganz persönlich: Die Oper in Zwickau war mit den 110 Opern-Vorstellungen und Konzerten, die ich dort dirigieren durfte, meine große Schule, um nun von der Mailänder Scala über Wien, Paris, London bis Tokyo Oper dirigieren zu können.
Wollen Sie diese Möglichkeiten einer neuen Generation verschließen und damit der Zukunft des Kulturlandes Deutschlandes schweren Schaden zufügen?

Meine zweite Frage: Die Oper ist die einzige Kunstgattung, wo praktisch alle Künste in ein Ganzes integriert werden. Wollen Sie dieses Musterbeispiel der Integration abschaffen und damit das exemplarische Beispiel dessen, worüber zur Zeit alle reden, verschwinden lassen?

Meine dritte Frage: Sie haben einen Abwicklungsplan erstellt, der sehr viel Geld kosten wird und sehr viel Leid über die Künstler, aber vor allem für die Menschen Ihrer Region bringen, da Sie ihnen ein Stück Identität nehmen. Sie haben aber nirgendwo erwähnt, dass Sie durch diesen Entschluss, nachdem schon in Deutschland in den letzten 20 Jahren über 1000 Musiker-Stellen gestrichen wurden, einen Beitrag zur Arbeitslosigkeit liefern, der noch weit über die entlassenen Künstler hinausgeht. Die Hochschulen und Universitäten bilden die Generation der Zukunft aus. Durch Ihren Entschluss wären diese nicht mehr in der Lage, an den Opern in Zwickau und Plauen zu lernen und zu arbeiten. Die finanziellen Konsequenzen der Arbeitslosigkeit von Künstlern hätten letztlich Ihre Nachfolger mit großen Kosten zu tragen, ohne dass dabei ein Nutzen für die Menschen in der Region entsteht. Was Musik positiv bewirken kann, ist ja inzwischen vielfach wissenschaftlich bewiesen. Diese positive Wirkung auszuschließen, wird in relativ kurzer Zeit schwere finanzielle Konsequenzen bei den Sozialausgaben und im Strafvollzug haben. Auch im Gesundheitswesen. Wollen Sie, dass Sie oder Ihre Nachfolger sinnlos Geld ausgeben?

Und (für diesen Brief) die letzte Überlegung: Nach dem zweiten Weltkrieg, wo alles in Schutt und Asche in Europa lag und wirklich kaum finanzielle Mittel der öffentlichen Hand zur Verfügung standen, wuchs das musikalische Leben in Deutschland und Europa über sich selbst hinaus. Jetzt, wo wir in einem großen Reichtum leben, soll kein Geld mehr für die Kultur da sein? Das Geld ist wohl da. Aber In einer Zeit wo (große) Gewinne privatisiert und (noch größere) Verluste sozialisiert werden, ist es eine Aufgabe der Politik auf allen Ebenen, dieser Entwicklung entgegenzuwirken und die Gemeinschaft nicht für den Unfug Einzelner zahlen zu lassen und dafür die europäische Identität aufs Spiel zu setzen. Und hier geht die geplante Maßname weit über die Region hinaus:
Ich kann Ihnen und den anderen Verantwortlichen, die Kürzungen bei der Kultur zu
verantworten haben nur zurufen: Humanistische Bildung - und die Oper ist die alle Künste integrierende Gattung - ist ein Bürgerrecht. Ihre Verweigerung ist inhuman und im höchsten Maße wirtschaftsschädigend, denn die Bildungsverlierer von heute sind die
wirtschaftlich Abhängigen von morgen. Stellen Sie echte Kultur auf den ersten Platz und Europa wird überleben, denn Europa muss zuallererst als Kulturraum und nicht als Wirtschaftsraum verstanden werden. Nur wenn die Europäer ihre Energie nicht mehr in erster Linie auf die Ökonomie konzentrieren, sondern ihre Kultur erhalten und weiterentwickeln, wird Europa den entscheidenden Beitrag für die Zukunft leisten können.

Prof. Dr. phil.h.c. Hartmut Haenchen
Dirigent
Ritter im Orden des Niederländischen Löwen
Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande

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