Texte

Hartmut Haenchen sprach vor dem Dresdner Rathaus

Welterbe ja oder nein Kultur ja oder nein

Liebe Dresdner!

Ein heißer Tag, auch politisch gesehen.

Was Dresden gegenüber anderen Städten heraushebt, ist die kulturelle Ausstrahlung. Kultur ist einer der wichtigsten Standortfaktoren. Unsere Stadt hat wegen des außerordentlichen Niveaus der Künste einen Namen in der Welt. Wer an Dresden denkt, denkt zuerst an die edle Symbiose von
Landschaft und Stadt - nun zum UNESCO-Welterbe erhoben - und an die Kunst, Kultur und Wissenschaft in dieser Stadt. Über Jahrhunderte wurde diese Einzigartigkeit gepflegt. Millionen Menschen besuchen deshalb unsere Stadt.
Dresden lebt also auch von seinem positiven Image als Kulturstadt. Auch deswegen siedeln sich Investoren in Dresden an.

Wir tragen vor aller Welt Verantwortung, um dieses Erbe zu schützen. Die negativen Auswirkungen der letzten "Sparrunde" auf die Kultur sind noch nicht vergessen. Es war eine Blamage für die Stadt.
Wir erinnern uns: Sogar Demonstrationen zum Erhalt des kulturellen Niveaus waren nötig. Dresdens Image wurde damals schon schwer beschädigt. Schließlich wurden 75.000 Unterschriften für die Erhaltung der Kultur gesammelt. Dies zeigte
die positive Haltung der Dresdner zur Kultur.
Nun steht eine weitere Blamage der Stadt leider greifbar vor uns.

Es wird immer wieder öffentlich von einigen Politikern bewusst falsch behauptet, die Brücke würde den Kulturhaushalt nicht belasten sondern nur den Vermögenshaushalt. Dies ist aber eine bewusste Falschaussage, um dieses Monstrum an Brücke durchzusetzen.
Die langfristigen Ausgaben müssen aus dem gleichen Haushalt kommen, wie die Kultur. Und hier reden wir laut Auskunft der Stadtkämmerei (25.8.2004) über einen Betrag für die Folgekosten des Baues des Verkehrszuges Waldschlösschenbrücke von 1.019.000 € jährlich! Nicht eingerechnet sind die Belastungen, die aus der dafür nötigen
Kreditaufnahme entstehen würden. Wir reden also über einen wirklich großen Betrag.
Diese Folgekosten wären für diese eine Brücke vergleichbar mit den Unterhaltskosten der insgesamt sechs bestehenden Dresdner Brücken. Einschließlich des Blauen Wunders! Diese Gelder müssen ebenfalls aus dem Verwaltungshaushalt gezahlt werden wie die Kultur. Also würde wegen einer Brücke, die wir so nicht brauchen, weiter an der Kultur gespart werden. Würde die Einzigartigkeit Dresdens von einigen Politikern aus Kurzsichtigkeit und Eitelkeit aufs Spiel gesetzt.
Dieses gigantische Bauvorhaben ist verkehrspolitisch umstritten wie kein zweites: Wir sollten uns dieses Straßenprojekt nicht leisten. Es sei denn, auf Kosten der Kultur und auf Kosten internationaler Verpflichtungen, die wir mit dem Beitritt zur UNESCO eingegangen sind. Wer die offensichtlichen Zusammenhänge zwischen Haushaltsverpflichtungen zu Lasten der Kultur wider besseres Wissen ignoriert und verschleiert, handelt gegen die Zukunft unserer Stadt. Wer sich gegen internationale Institutionen wie die UNESCO stellt, handelt unverantwortlich.

Dresden braucht Brücken, die verbinden und nicht die entzweien

Kein anderes Thema trennt die Bürger Dresdens seit vielen Jahren mehr als die Waldschlösschenbrücke. Kein Projekt hat in Dresden jemals soviel Zeit, Kraft und Geld verschlungen, ohne zu einem überzeugenden Resultat zu kommen.
Jetzt zeigen die Umfragen, dass die Meinung der Bevölkerung viel schneller auf die veränderte Situation reagiert, als die Politik. Schon heute stimmen 64% der Prozent für das Welterbe und nicht für diese Brücke. Ich rufe Sie auf, sich an dieser Internetabstimmung der Sächsischen Zeitung zu beteiligen.

Das Urteil der UNESCO – die Unvereinbarkeit dieser Brücke mit dem Weltkulturerbestatus des Dresdner Elbtals – zwingt nun trotz aller seit 1994 vorausgegangenen Stadtratsbeschlüsse, Expertenhearings, Gutachten, Gerichtsverfahren und Bürgerentscheide zu einer grundlegenden Neubesinnung, die die Bürger schon vollzogen haben, nur die Politik noch nicht in ihrer Mehrheit. Und doch wird der Bürgerwille gerade von denen immer wieder vorgeschoben, die für die Aberkennung des Welterbe-Titels sind. Eine längst nicht mehr aktuelle Argumentation.

Wenn wir in Wirtschaftsfragen die Urteile der World Trade Organisation respektieren, müssen wir im Zeitalter der Globalisierung in kulturellen Fragen auch die Zuständigkeit der UN-Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur ernst nehmen. Sachsen als Kulturstaat und Dresden als weltweit bewundertes Gesamtkunstwerk aus Natur und Städtebau, müssen sogar ein besonderes Interesse daran haben, dass das Ansehen der UNESCO jetzt nicht durch Trotz und Geringschätzung beschädigt wird.
Die Korrespondenten der Dresdner Zeitungen haben den Verantwortlichen in Vilnius ein hervorragendes Zeugnis der Sachkompetenz bescheinigt. Einige Politiker, die nicht vor Ort waren, behaupten das Gegenteil.
Eben diese Politiker behaupten noch immer öffentlich und unwidersprochen: Die UNESCO hätte die exakten Pläne gehabt und die jetzt anders ausgefallene Beurteilung sei unverständlich. Wir alle wissen, dass die eingereichten Pläne eben nicht mit der Realität übereinstimmten.
Man sollte sich jetzt nicht auf diese einzige Form einer Elbüberquerung versteifen. Die geplante Brücke ist ein uneleganter, überdimensionierter, banaler Zweckbau an der sensibelsten Stelle des Elbtals, wo es – wenn überhaupt - höchster künstlerischer Gestaltungskraft bedürfte.

Der Bürgerentscheid über ja oder nein zur Brücke hat keine Alternativen geboten und ist daher als Zustimmung zur Überbrückung der Elbe, aber nicht als unumstößliches Votum für diese Brücke zu werten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich seit dem Stadtratsbeschluss vor 12 Jahren über den Bau einer Elbquerung in Höhe des Waldschlösschenareals die Verkehrsströme, die früher durch die Stadt zogen, in erheblichem Umfang auf die Autobahn verlagert haben und bereits heute der Effekt der Entlastung eingetreten ist, den man sich damals erst von der Brücke erhoffte.

Damit ist der Bedarf an einer so breiten autobahnartigen Brücke weggefallen. Nicht die Bündelung des Verkehrs, sondern die Auflösung der Staus an den bestehenden Brücken sollte das Ziel sein. Diesem dienten bereits Verbreiterungen einiger Brücken in den letzten Jahren. Eine Entlastung des „Blauen Wunders“ könnte mit einer kleineren Brücke Elbe aufwärts erreicht werden.

Als Alternative für die Waldschlösschen-Brücke sollte ein Wettbewerb um die effizienteste Tunnellösung ausgeschrieben werden, wobei auch die Möglichkeit einer Straßenbahntrasse einzubeziehen wäre. Es ist sicher, dass das – im Gegensatz zu bisherigen Behauptungen der Brückenbefürworter - ganz sicher den heutigen finanziellen Rahmen sogar unterschreiten könnte und damit Geld für die Kultur erhalten werden könnte. Andere Städte haben uns das vorgemacht. Der 7 km lange Warnow-Tunnel inklusive 5 Brücken hat 90 Mio. Euro gekostet. Das Dresdner Tunnel-Projekt wäre nur ein Bruchteil so groß und entsprechend billiger.

Dann ließe sich auch die Abschreibung der bereits verausgabten Planungskosten verschmerzen, die auch Privatunternehmen verschmerzen müssen, wenn Investitionen von der Zeit überholt sind.

Ich fordere die Stadträte auf, heute nicht nach Fraktionszwang zu entscheiden, sondern mit Einsicht, mit Klugheit und Weitsicht im Sinne der Bürger und Gäste dieser Stadt.

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