Texte

Mozart, Wolfgang Amadeus: Die Zauberflöte

Brief an den Mozart-Forscher Marius Flothuis, der nach Lektüre des Programmhefttextes antwortete.

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Amsterdam, 10.12.1995

Sehr geehrter Herr Flothuis!

Vielen Dank für Ihren freundlichen Brief. Es ist mir eine Ehre, daß Sie sich meines Artikels so gründlich annehmen. Sie werden dabei sicher bedenken, daß es sich um einen Beitrag für ein Programmbuch und nicht um eine wissenschaftliche Arbeit handelt, die ich anders formuliert und ausführlicher dokumentiert hätte. Bei der Übersetzung hatten wir - wie schon bei meinen anderen Artikeln - Schwierigkeiten und sicher haben Sie Recht, mit Ihrer Kritik. Viele Dinge, die für mich interessant bei den Studien waren, habe ich nicht veröffentlicht, da sie für ein breiteres Publikum nicht verständlich sind. Gern versuche ich auf Ihre Anmerkungen zu antworten:

Wiederentdeckung des Autographs:
Natürlich ist mir aus anderen Handschriften die Arbeitsweise Mozarts bekannt, das ändert aber nichts an der Folgerung, die ich daraus ziehe, auch wenn noch eine praktische Erwägung dabei eine Rolle spielt.

Zauberinstrumente:
Ich kenne den Artikel von Alfred Orel, kann aber nicht finden, daß ich diesem in meiner Aussage widerspreche. Das Instrument, welches wir benutzen ist natürlich ein „Stahlspiel“. Mir ging es bei meinem Beitrag darum, daß die Instrumente nicht in den Orchestergraben gehören, wie es allerorts gemacht wird.

Kadenz der Damen:
Hier behaupte ich nicht, daß meine Version die einzige Möglichkeit ist, doch halte ich die Rekonstruktion für ebenso legitim (oder eben nicht) wie andere Mozart-Rekonstruktionen.

Fermaten:
Hier bin ich über Ihre Bemerkung verwundert, weil Sie davon ausgehen, daß ich einen legato-Bogen nicht von einer Fermate unterscheide. Um ganz deutlich zu sein:
Es steht eine Fermate über dem Partitursystem und unter dem Leertakt der Bässe . Es kann sich also beim besten Willen nicht um einen legato-Bogen handeln. Die Schreibweise der Fermate ist übrigens identisch mit der Schlußfermate. Die NMA berücksichtigt - wie ich in meinem Beitrag sage - diese Fermaten nicht. Übrigens ebenso wenig, wie das „Kopf-Kopf“-Zeichen, welches sogar zweimal im Duett steht und zumindest zwei Deutungen zuläßt. Was die Fermate des Terzetts anlangt: es geht mir um die einzige Fermate der Damen, die über drei Noten steht, wo die NMA die Fermate über den Akkord des Streichorchesters setzt (ich sehe, daß in der Übersetzung „Streich“ weggelassen wurde, was zu Mißverständnissen führt), ganz sicher aber eben nur die Damen mit den Bläsern aushalten sollen. So ist übrigens auch die erste Fermate auf „Macht“ nicht korrekt wiedergegeben. Was das zweite Finale anlangt, verstehe ich Ihre Lesart nicht, da Mozart hier - übrigens ebenso wie beim Duett - eine zweite Fermate über und unter das System schreibt und die andere- wie Sie richtig schreiben- auf die Achtelpause. Gerade das versuchte ich eben deutlich zu machen.

Generalpause:
Warum Sie die Aussage von Leopold Mozart negieren ist mir nicht klar: Es steht eindeutig (wie von mir angegeben) in der Ausgabe von 1787 auf Seite 45 unter einer Ganztaktpause mit Fermate (die ich zum besseren Verständnis für heutige Leser Generalpause genannt habe): „Diese Pause wird nicht ausgehalten“. Meinen Sie, daß das etwas anderes bedeuten kann, als daß diese Pause verkürzt werden soll?

Überpunktierung:
Ich halte es hier mit Daniel Gottlob Türk und seiner Klavierschule, der noch 1789 neben der Notation des Doppelpunktes schreibt, „daß man in vielen Fällen bey den Punkten etwas länger verweilen muß (!H.H.) als ihre eigentlich bestimmte Dauer.“ (S. 82/83) Von zwei Generationen Unterschied kann also überhaupt keine Rede sein.

Tempo:
Natürlich ist das Tempo-Verhältnis bei der Ouverture so, wie Sie es beschreiben.

Danke für den Hinweis, daß das Goethe-Zitat nicht authentisch ist. Es ändert aber nichts an der Tatsache, daß Goethe offensichtlich das Textbuch für so wichtig hielt, daß er einen zweiten Teil dazu schrieb.
Ich freue mich, daß Sie die Vorstellung besuchen werden und hoffe, daß Sie Freude an den unzähligen Details haben werden, über die ich nicht schrieb.


Mit freundlichen Grüßen!
Hartmut Haenchen

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