DRESDNER NEUESTE NACHRICHTEN, 17. Mai 2005
(...) Nun, zumindest in der sehr gut gefüllten Kirche gab es mittels stehender Ovationen moralische Unterstützung für Intendant Hartmut Haenchen, der auch die Aufführung dirigierte, und für sein Festspielteam. Dass ich persönlich bezüglich des Konzerts nun nicht in Euphorie verfalle, liegt zuvorderst an einer nicht unkritischen Beziehung zu der erklungenen Mozart-Bearbeitung von Händels "Messias". Doch diese hat ihre musikgeschichtliche Bedeutung (ältere Werke zeitgenössischen Gegeben- und Gepflogenheiten anzupassen war zu Mozarts Zeiten gang und gebe), und man kann der vor allem hinsichtlich der Orchesterbesetzung, teils auch in ihrer formalen Struktur so anderen Mozart-Version mit der "Lust am Fremden" begegnen.
Hartmut Haenchen hatte den großen Apparat der Musizierenden stets gut im Griff (...) Das Choraufgebot - MDR Rundfunkchor, fünf Dresdner Laienchöre plus extra Mitsänger - setzte Haenchen flexibel ein: Er ließ diffizilere Nummern allein vom MDR-Chor singen, vergrößerte bei anderen die Besetzung sukzessive, wieder andere (darunter natürlich das "Halleluja") erklangen von allen Ensembles. Und selbst dann erwiesen sich dynamische Schattierungen, melodische Formungen immer noch als möglich. Diese nicht nur hier, sondern auch in Rezitativen und Arien umzusetzen, dafür war die klangvoll musizierende Dresdner Philharmonie stets ein Garant.
Sybille Graf
SÄCHSISCHE ZEITUNG, 17. Mai 2005
Klangkrone zum Auftakt
Wird Händels „Messias“ in der Überarbeitung Mozarts, mit riesigem Choraufgebot und in deutscher Sprache aufgeführt, sind das gleich drei gravierende Verstöße gegen die Bestrebungen zu möglichst authentischer Interpretation. Dass das alles am Freitag in der Kreuzkirche zur Eröffnung des diesjährigen Festspiel-Jahrgangs nicht sonderlich ins Gewicht fiel, ist in erster Linie Dirigent und Intendant Hartmut Haenchen zu danken. Er wählte den hervorragenden MDR-Chor als Hauptchor und konnte so auch jene Teile in schnellem Tempo singen lassen, deren viele Vokalisen den anderen, oft Laien-Choristen, nicht im gleichen Maß abverlangt werden konnte.
Fragen an Mozart erlaubt
Zudem erlag Haenchen nicht der Versuchung, zu romantisch („Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“) oder zu monumental („Würdig ist das Lamm“) zu musizieren. Selbst wenn man der relativ leicht begründbaren Meinung ist, Mozart habe Händel nicht verbessert, räumten die Konsequenz und innere Geschlossenheit dieser Aufführung die Bedenken gegenüber der Mozart-Version zu einem beträchtlichen Teil aus. (...)
Peter Zacher
DRESDNER NEUESTE NACHRICHTEN, 17. Mai 2005
Dreimal Jubel in der Semperoper
Mit stehenden Ovationen für die drei Konzerte in der Semperoper konnten die Dresdner Musikfestspiele am Eröffnungswochenende einen glänzenden Erfolg verbuchen. (...)
Peter Rösel als"Carte-blanche"-Künstler
Für den ersten Programmschwerpunkt zeichnete der Pianist Peter Rösel verantwortlich, als renommierte Dresdner Musikerpersönlichkeit einer der diesjährigen "Carte-blanche"-Künstler des Festivals. Rösel, der im vergangenen Februar seinen 60. Geburtstag feierte, absolviert sein ehrgeiziges Projekt einer Gesamtaufführung der Beethovenschen Klavierkonzerte (inklusive Rondo WoO6) mit pianistischer Bravour (...). Unter anderem manuelle Meisterschaft und eine uneitle Bühnenpräsenz sind die Tugenden dieses Pianisten, der, begleitet vom charakteristischen Mahlen seiner markigen Kieferknochen, schnörkellos musikalische Strukturen durchdringt. Darüber hinaus ein klar konturierter Ton, der auch in den Innenansichten der Mittelsätze emotional stets kontrolliert bleibt.
Am stringentesten wirkt dieser Zugriff in der großen Geste der Eckkonzerte Nr. 1, 3 und 5, weniger glücklich im an Mozart geschulten B-Dur von op. 19 (bei Peter Rösel chronologisch richtig an den Anfang gerückt). Auch im farbenreichen G-Dur-Konzert op. 58 darf Peter Rösels strenges Klangkorsett nur selten aufbrechen; zu beiläufig gehen Beethovens visionäre Andeutungen wieder im konventionellen Kontext auf.
Nicht nur pianistisch überzeugender geriet das zweite Konzert am Sonntag, das mit dem heroischen Grundton der Klavierkonzerte op. 37 und op. 73 Peter Rösels Ansatz mehr entgegenkam. Von getrillerten Salven des Kopfsatzes bis zur exakt dosierten Innerlichkeit im Largo entwickelt Rösel das c-Moll-Konzert ganz aus der Perspektive kontrollierter Emotionalität; aber auch die sinfonisch gedachte Majestät des letzten Klavierkonzerts gewinnt durch seine pianistische Klarheit.
Einen reizvollen Kontrapunkt lieferte die Kioi Sinfonietta Tokyo, die sich als "Orchester in residence" - eine Festspiel-Neuerung seit dieser Saison - unter zwei verschiedenen Dirigenten profilieren konnte. Während Intendant Hartmut Haenchen am Sonnabend einen zupackend-direkten Beethoven dirigierte, inspirierte am Folgetag Hiroshi Wakasugi den japanischen Klangkörper zu einer bejubelten, farbenreichen Interpretation, die Rösels strenge Lesart auf subtile Weise grundierte.
Julia Waldstein
SÄCHSISCHE ZEITUNG, 17. Mai 2005
Funkelnde Diamanten
Wenn Peter Rösel im Rahmen seiner Carte blanche alle fünf Konzerte und das Rondo B-Dur am Sonnabend und Sonntag innerhalb von zwanzig Stunden spielte, ist das schon wegen der physischen Leistung beachtenswert. Allerdings mussten die Konzerte nicht mit äußerster Kraft gespielt werden, weil Orchestergröße und die akustischen Bedingungen der Semperoper ein beinahe kammermusikalisches Musizieren erlaubten. Zudem neigt Rösel ohnehin nicht dazu, pianistisches Donnergetöse an unpassenden Stellen zu entfachen. Rösel betont vor allem den musikantischen Gestus der Musik.
Die Werke des ersten Tages, die Konzerte Nr. 1 C-Dur op. 15, Nr. 2 B-Dur op. 19 und Nr. 4 G-Dur op. 58, hatten dadurch etwas vom Geist Mozarts, waren von angenehmer Leichtigkeit, ohne dass ihre Substanz in Frage gestellt worden wäre. Beethoven erschließt sich ja oft besser, wenn ihm nicht der Stempel des Titanischen zwanghaft aufgeprägt wird. Und Rösel begreift „seinen“ Beethoven aus dem Geist der Klassik und verzeichnet seine Interpretation nicht mit Elementen, die erst in der Romantik mit ihrer Überbetonung des Virtuosentums in die Musik eingezogen sind. Hartmut Haenchen sorgte für angepasste Begleitung durch die Kioi Sinfonietta Tokyo, der ihre Erfahrung mit der Musik Mozarts hörbar zugute kam.
Die als gewichtiger angesehenen Konzerte Nr. 3 c-Moll op. 37 und Nr. 5 Es-Dur op. 73 folgten in der Matinee am Sonntag und waren eine logische Fortsetzung der Aufführung des Vortages. Rösel beeindruckte durch die Ruhe im Mittelsatz des c-Moll-Konzerts und im Konzert Nr. 5 durch die themenbedingte Variabilität der Tempi, so dass stets der Eindruck eines natürlichen Atems vorherrschte.
Vergnügen im vollen Haus
Wenn er gerade im letzten Klavierkonzert Beethovens ein weit höheres Maß an Virtuosität einbringen musste, geschah das ohne vordergründige Eitelkeit. Das Orchester, in dem es ein paar Unsauberkeiten gab, wurde diesmal von Hiroshi Wakasugi geleitet, der sich besonders eng und konzentriert an den Solisten anpasste.
Peter Zacher
Das Opernglas 7/8 2005 Seite 20-21
C.M. von Weber: Abu Hassan
(...) All diese Feinheiten samt Inhaltsangabe wurden von Haenchen, den äußeren Unbilden zum Trotz, in launigen Sätzen vorab erläutert. (...) Das Münchner Rundfunkorchester folgte den scharf profilierten Vorgaben von Hartmut Haenchen aufs Energischste, kraftvoll sekundiert vom Sinfoniechor Dresden (...)
Selten atmet es in deutschen Komödien so leicht und heiter und so ohne Tiefe, waltet wie in „Abu Hassan“ so stark der unverwechselbare Geist und Geschmack der französischen Opéra comique.
K.G. v. Karais
Sächsische Zeitung, 27. Mai 2005
(...) Hartmut Haenchen und sein Kammerorchester C.P.E. Bach schließlich setzten mit modernen Instrumenten auf Schönklang und klare Strukturen.
Sie haben konsequent weiterentwickelt, was sie in den 80er Jahren begonnen haben: die virtuose, wissenschaftlich informierte Wiederaufführung vergessener Werke – mit vollem, aber differenziertem Klang und großer Eindringlichkeit musiziert. Diese reich beklatschten Pisendel-Konzerte waren ein echter Schwerpunkt der Festspiele (...)
Uwe Schneider