Als nach dem Schweigen der Glocken nach dem Sterbestundengeläut am Karfreitag heute um 5.45 Uhr erstmals wieder die Glocken erklangen, dachte ich zunächst daran, dass ich ja eigentlich in Wien sein sollte, um dort Parsifal zu dirigieren. Dann lauschte ich dem herrlichen Klang und meine Gedanken gingen zu den „Parsifal-Glocken“.
Im dritten Akt von Parsifal erklingen die Glocken nach dieser Regel erst nach dem Karfreitag wieder. Im Umkehrschluss muss der 1. Akt dann ein paar Jahre früher in der Osterzeit spielen.
Warum? Die Läuteordnung der Frauenkirche Dresden sieht vor, dass nach Ostern die Glocken aus dem Turm E mit dem e1, g1 und a1 erklingen. (Johannes, die Verkündigungsglocke, Jeremia, die Stadtglocke und Josua, die Trauglocke). Diese Auswahl aus den 8 Glocken des großen Geläuts erklingt auch an 11 anderen Feiertagen im Jahr. Wir wissen, dass Wagner als Knabe oft in der Frauenkirche war, wir wissen, dass der „Gesang der Knaben aus der Kuppel“ eine Idee aus der besonderen Architektur der Frauenkirche ist, wir wissen, dass Wagner in seiner Dresdner Kapellmeisterzeit nur etwa 60m von der Frauenkirche entfernt gewohnt hat.
Ist es dann ein Zufall, dass er im Parsifal bei seinen Glocken die Töne e,g,a,E verwendet?
Das scheint kein Zufall. Das ganze Gedankenspiel hat aber einen Haken:
Die Glocken, die heute erklingen, sind erst 2003 (zum zweiten Mal) gegossen worden.
In Wagners Zeit gab es ein Geläut aus nur vier Glocken. Nur eine ist nur durch einen Zufall (weil sie zur Zeit der Zerstörung nicht in der Frauenkirche hing) erhalten: Maria mit einem b1.
Wer weiß, wie die anderen Glocken gestimmt waren?