01. September 2001 · Kiel, Schleswig Holstein
G. Mahler: 3. Sinfonie d-moll
NDR-Sinfonieorchester
Jill Grove
Schleswig-Holstein Musik Festival NDR
TV- und Rundfunkübertragung
Pressestimmen
Mit einer bewegenden Darbietung der 3. Symphonie von Gustav Mahler ist am Sonntag im Kieler Schloss das Schleswig-Holstein Musik Festival zu Ende gegangen.
Diethart Goos
Die Welt · 04. September 2001
(...) Vielmehr eine oft still nach innen gekehrte, dabei prägnante, stringente und äußerst transparente Lesart. Zerklüftet kam die Erste Abteilung daher. Ein scheinbar ungeordneter Haufen von Assoziationen, in der Bandbreite von Naturklängen bis zu Marschgerassel wehte den Hörer an, durchsichtig bis aufs Noten-Mark und in seiner Vielfalt provozierend unverständlich. Haenchen gab sich demonstrativ keine Mühe, die Brüche der Partitur zu kaschieren. Der zweite Satz, das Menuett, geriet unter Haenchens Händen so filigran feinverästelt, dass vom gesunden Tanzsatz auch nur ein Schatten blieb: die Welt der Fin-de-siècle-Salons verzerrt in einem zerbrochenen Spiegel. Im Scherzando-Satz begeisterte die ungewöhnlich rasch genommene Posthorn-Episode, herrlich von der Empore herab geblasen von NDR-Trompeter Matthias Höfs. Keine Spur mehr von der hier oft kitschigen Trivialität, sondern auch hier gespiegelte Erinnerung an vielleicht unbeschwerte Zeiten. Im berührend angsterfüllt menschlichen Format und nicht als aufgebläht orgelnde Weltanklage schwebten deshalb auch die von Jill Grove adäquat gesungenen Nietzsche-Worte "O Mensch! Gib acht!" herüber. Ätherisch leicht, zwischen Wunsch- und Wahnvorstellung changierend, läuteten die Himmelsglocken im vorletzten Satz: Schön korresponidierten die zurückgenommenen Frauenstimmen des NDR-Chores (Einstudierung: Werner Hagen) mit Hans-Christian Henkels souveränen Jungs vom Kieler Knabenchor. Dann die grosse, unerfüllte Sehnsucht des Finales.
Für Haenchen galt es nicht nur das bald begeisterte Publikum, sondern zunächst das NDR-Sinfonieorhcester von seinem ungewöhnlichen Ansatz einer konsequenten Verschlankung des "Riesenwerks" zu überzeugen. (...) Auf die Mahler-Aufnahmen, die Haenchen gerade mit dem Nederlands Philharmonisch Orkest vorbereitet, darf man besonders gespannt sein.
Christian Strehk
Kieler Nachrichten · 03. September 2001
Das Schleswig-Holstein Musik Festival 2001 endete mit einer umjubelten Aufführung von Gustav Mahlers dritter Sinfonie
(...) Ein krönender Abschluß also für das Schleswig-Holstein Musik Festival 2001, das erfolgreich war wie keines zuvor und dessen ende Publikum, Künstler, Organisatoren, Sponsoren und Politiker in einmütiger Freude feierten. So sprach ein "glücklicher Festival-Direktor" Rolf Beck gestern abend beim Abschlußkonzert im ausverkauften Kieler Schloss von einem "überragenden Erfolg" (...) was das NDR-Sinfonieorchester unter Leitung des für den erkrankten künstlerischen Leiter des Festivals Christoph Eschenbach eingesprungenen Hartmut Haenchen zusammen mit den Damen des NDR-Chores, dem Kieler Knabenchor und der amerikanischen Altistin Jill Grove bot, war "mahlerisch" im besten Sinne des Wortes. Gleich im ersten Satz gelang den Musikern die Balance zwischen "Tragik und Trivialität" vortrefflich. Da spiegelten düstere Passagen von Posaune, Pauke und gedämpften Trompeten die leblose Materie, bevor mit zunächst ganz zart anklingenden Marschpassagen Leben ins Spiel kam. Bestens herausgespielt die dynamischen Steigerungen vom vierfachen Piano bis zum rauschhaft ekstatischen Tutti, das stellenweise fast operettenhaft klang.
Nicht nur hier wurde echter Raumklang realisiert: Denn seidig-elegant gelang das Menuett des zweiten Satzes, und im Scherzo wechselten ländliche Tanzformen mit dem volksliedhaften Posthornthema, das bei fast geschlossener Tür aus dem Foyer klang.
Das "Mitternachtslied" aus Friedrich Nietzsches Dichtung "Also sprach Zarathustra" fand seine ideale Realisierung in Jill Groves vollem und klaren Alt, aus dem Orchester mit einem charakteristisch klagenden Oboenmotiv beantwortet. Hier entstand echte Nachtstimmung, bevor dann der fünfte Satz "Es sungen drei Engel" mit dem sphärisch agierenden Frauen-Ensemble und den kecken Kieler Chorknaben als eine von aparten Gegensätzen geprägte Himmelszene gelang.
Zum Schluß sang das Orchester sich aus in einer nicht enden wollenden Steigerung, an deren Anfang nur die Streicher standen, und deren Ende eine strahlend-hymnische Apotheose bildete. Lang anhaltender Beifall.
Flensburger Tageblatt · 03. September 2001